Botschaftervortrag: „Zwischen Frieden und Krieg“ Rumänien und Österreich um 1900

 

Zwischen Frieden und Krieg”. Rumänien und Österreich um 1900.Szenen einer wohlwollenden Gleichgültigkeit.

Vortrag des Botschafters von Rumänien S.E. Botschafter Emil Hurezeanu am 13.01.2022

In Kooperation mit der Diplomatischen Akademie und der Botschaft Rumäniens in Wien.

* * *

Begrüßung

Gesandte Dr. Susanne KEPPLER-SCHLESINGER Stellvertretende Direktorin der Diplomatischen Akademie Wien

Vizekanzler a.D. Dr. Erhard BUSEK Vorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa

Mihai Răzvan UNGUREANU Ehemaliger Ministerpräsident von Rumänien Projektmitarbeiter am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM)

 

Moderation

Erhard BUSEK Vorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa

When the Green Deal Is a No Deal

When the Green Deal Is a No Deal

In her article “When the Green Deal is a No Deal” for Fair ObserverDaniela Apaydinargues that considering different perceptions of the Green New Deal in Central Eastern Europe, we need an honest debate beyond the repeating promises of growth. Populists already utilize existing fears of becoming “losers of the green transition” which could lead to further divisions within the EU. Therefore, top-down policies need to also keep democratic deficiencies and weak civil societies in mind.
The whole article is available here.

Polexit: Is Poland on the way out of the EU?

“Polexit: Is Poland on the way out of the EU?”

Polexit: Is Poland on the way out of the EU?

“Judicial reforms in Poland have raised many questions, including whether the country may actually be on the way out of the European Union. Considering these recent developments, it might be tempting to draw a comparison with Brexit. But is Poland really following in the footsteps of the UK, or are we trying to compare apples and oranges?” ask Malwina Talik and Jack Gill in their analysis of the spectre of “Polexit” for Fair Observer.

The whole article is available here.

Konflikt liegt in der Luft

»Die Abhängigkeit ist ein Problem,« sagt der Ornithologe Matthias SCHMIDT, und spricht sich für eine unabhängige und faktenbasierte ökologische Erhebung bei Windparkanlagen aus. Wird bald im Namen des heißbegehrten »grünen Stroms« der Artenschutz vernachlässigt, fragt ihn Daniela APAYDIN im IDM-Interview.

Ihre Trommeln sind nicht zu überhören. Der kühle Herbstwind lässt ihren lebhaften Rhythmus durch die Menge ziehen. Eine bunte, gutgelaunte Menschenmasse bewegt sich durch die Praterstraße, mit Musik, Megafonen und Transparenten. »Alle für das Klima«, steht darauf, aber auch »Make love, not CO2 «. Das Ziel der Menge ist das Wiener Stadtzentrum, vor ihrem eigentlichen Ziel, dem geforderten sozialen Wandel, liegen jedoch noch viele Hürden. Eltern mit Kleinkindern, SchülerInnen und Studierende, WissenschaftlerInnen, Tier – und UmweltschützerInnen, überzeugte VeganerInnen, Gewerkschaften, sogar kirchliche Einrichtungen marschieren beim Klimastreik 2021 Seite an Seite im Rhythmus der Trommeln. Ihre Dringlichkeit verbindet sie, doch in der Umsetzung und Radikalität ihrer Forderungen liegen Konflikte begraben. Jede Transformation produziert ihre Verlierer. Wie werden die Menschen links und rechts neben mir reagieren, wenn unter dem Zeichen des Ausbaus »grüner Energie« Menschen ihre Jobs verlieren, wenn Tiere zu Schaden kommen, das neue Wasserkraftwerk den Naturraum zerstört oder der Windpark die Zugvögel bedroht? Über das Spannungsfeld von Zielkonflikten habe ich kurz vor der Demo mit dem Ornithologen Matthias Schmidt gesprochen. Bei der NGO Birdlife Österreich setzt er sich besonders für den Schutz von Groß- und Greifvögeln ein. Von ihm erhalte ich später Bilder von Tieren, die von Rotorblättern getötet wurden.

Herr Schmidt, heute ist weltweiter Klimastreik-Tag. Gehen Sie auch zur Demo?

Meine Familie ist dort, ich selbst leider nicht. Birdlife ist auch offizieller Unterstützer des Klimastreiks. Ich finde gut, dass wir da ein Zeichen setzen. Die Lebensräume der Vögel sind durch den Klimawandel bedroht. Wir finden aber auch, dass es beim Klimaschutz Sensibilität braucht.

Wir sprechen von Zielkonflikten, wenn Maßnahmen zum Schutz des Klimas negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt haben. Welche konkreten Bedrohungen birgt die Windenergie für Vögel?

Windkraftenergie kann nur ein Teil der Lösung sein. Sie darf nicht uneingeschränkt ausgebaut werden. Bei Windkraftanlagen (WKA) gibt es drei Problemfelder: Kollisionen durch die Rotoren, die Degradierung von Lebensraum sowie die Scheuchwirkung. Dabei gibt es regional viele Unterschiede und auch nicht jeder tote Vogel hat gravierende Auswirkungen auf die Artenvielfalt.

Welche Vogelarten sind in Österreich besonders von Windparks bedroht?

Für Kleinvögel im Flachland ist es weniger gravierend. Doch fast 20 Prozent der tot aufgefunden Kaiser- und Seeadler lassen sich auf WKA zurückführen. Man muss aber auch dazu sagen, dass WKA nicht die Hauptbedrohung für Vögel darstellen. Das Insektensterben, etwa durch Pestizide in der Landwirtschaft, der generelle Landverlust durch die Bodenversiegelung, die Folgen des Klimawandels… die Liste an Bedrohungen ist lang. Die am häufigsten von Menschen verursachten Todesarten bei Greifvögeln sind zum Beispiel immer noch Abschuss und Vergiftung.

Die Österreichische Bundesregierung plant bis 2030 die Windenergieproduktion von 6,3 auf 15,3 Prozent zu erhöhen. Prozentual ist eine größere Steigerung nur bei PhotovoltaikAnlagen geplant. Kann das aus Sicht eines Artenschützers überhaupt funktionieren?

Es wird sich zeigen, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Wenn wir Ostösterreich betrachten, dann wird diese Region bereits intensiv für die Windenenergie genutzt. Dort wird nicht mehr viel möglich sein, ohne massive Auswirkungen auf den Artenschutz in Kauf zu nehmen. Die große Frage wird sein, wie es im Alpenraum weitergeht. Wir setzen uns für eine großräumige und faktenbasierte Planung ein. Leider haben wir oft erlebt, dass Betreiber unzureichende Erhebungen zum Artenschutz in Auftrag geben, die dann zu willkürlichen Ergebnissen führen. Das macht die Datenlage schwer nachvollziehbar und vergleichbar. Wir versuchen mit fachlich fundierten Leitfäden dazu beizutragen, dass sich Standards durchsetzen.

Die Energiewirtschaft fordert verkürzte Prüfungsverfahren zur Bewilligung von WKA. Außenstehenden erscheinen diese Verfahren tatsächlich sehr bürokratisch und langwierig. Können Sie sich eine Verkürzung vorstellen, bei der der Artenschutz nicht zu kurz kommt?

Eine seriöse Erhebung dauert meisten zwischen 1,5 und 2 Jahren. Die Natur lässt sich eben nicht an einem Tag erheben. Wenn ich zum Beispiel wissen will, ob in einem Gebiet der Kaiseradler brütet, kann ich die Erhebung nicht im Winter machen. Das wäre unseriös. Die Verzögerungen in Verfahren kommen aber meistens durch unzureichende oder fehlende Unterlagen in den Umweltverträglichkeitsprüfungen zustande, die dann zu Recht beeinsprucht werden. Eine Versachlichung in Form von seriösen Erhebungsstandards würde nicht nur eine bessere Bewertung zulassen, sondern aus meiner Sicht auch zu einer Beschleunigung der Verfahren führen. Grundsätzlich haben wir bei Genehmigungsverfahren Parteienstellung und erheben auch Einsprüche. Das machen wir aber nicht bei jedem Windpark, sondern nur, wenn es Konfliktpotential gibt oder wenn Methoden benutzt wurden, die keine belastbaren Aussagen zulassen.

Mir erscheint dieser Ablauf etwas fragwürdig: Firmen beauftragen vor dem Bau ihres Windparks ein Gutachten bei Technischen Büros und bezahlen diese direkt dafür?

Die Abhängigkeit der Büros von den Betreibern sehe ich als ein wesentliches Problem. Wir sollten hinterfragen, ob Firmen tatsächlich das Büro aussuchen und direkt beauftragen dürfen sollten. Kommt eine Studie zu negativen Ergebnissen, riskiert das Büro natürlich, dass es bei der nächsten Prüfung nicht mehr den Auftrag erhält. Die Behörde bzw. ein Sachverständiger muss das Gutachten dann zwar noch abnehmen und kontrollieren, eine detaillierte Prüfung ist da aber oft schwierig. Zurzeit gibt es aber keine klaren Vorgaben, wie die technischen Büros ihre Erhebung durchzuführen haben. Es hat sich gezeigt, dass viele – nicht zuletzt aus Kostengründen – mangelhafte Methoden verwenden. Wir brauchen daher Methodenstandards. Das würde auch die Verfahren vereinfachen und den Betreibern Planungssicherheit geben.

Als Laie verstehe ich angesichts dieser Mängel etwas besser, wie es zu Eskalationen rund um geplante Autobahnen und Nachdenkpausen bei Kraftwerksplänen kommen kann. Wie viele solcher Konflikte liegen in den kommenden Jahren wohl noch in der Luft? Und wie sieht es stromabwärts mit dem Windkraftausbau aus? Der Green Deal der Europäischen Kommission sollte doch auch die IngenieurInnen in Ungarn, Rumänien oder Bulgarien motivieren, oder nicht? Matthias Schmidt sieht in der Windkraft jedenfalls ein »lukratives Business«, das auch Betreiber aus Westeuropa und Österreich nach (Süd-) Osteuropa lockt. »Aktuell ist die Windkraftnutzung aber vor allem in Ostösterreich und Westungarn ein Thema. Auch im bulgarischen Osten, an der Schwarzmeerküste gibt es Windkraftanlagen, ebenso wie Konflikte zwischen dem Vogelschutz und WKA-Betreibern«, so Schmidt, der sich selbst aber eher mit Österreich beschäftigt. Ich konfrontiere ihn noch mit einem Argument, das man im Kontext von Windpark-Debatten oft hört – sicherlich keine Lieblingsfrage für Vogelfans:

Herr Schmidt, was antworten Sie jemanden, der nicht versteht, dass ein Windpark wegen eines toten Vogels nicht gebaut werden darf, und damit der Energiebedarf durch Atomoder Kohlekraftwerke ausgeglichen werden muss? Ist das im Interesse des Klimaschutzes?

Das darf nicht unser Zugang bei dieser Frage sein. Wir brauchen ein Umdenken. Artenschutz ist zwar aufwändig, aber auch sehr wertvoll für uns. Vielfältigkeit ist ein Wert, der aus vielen Individuen besteht. Je mehr Individuen verschwinden, desto fragiler werden unsere Ökosysteme, desto näher kommen wir dem Kollaps. In der Summe liegt der Unterschied. Klimaschutz kann und darf nicht uneingeschränkt auf Kosten von Arten umgesetzt werden.

Nun will aber auch keiner einen Windpark direkt neben der Vorstadtsiedlung. Was also tun?

Das ist immer eine Abwägungssache. Die Planung der Windkraft unterliegt natürlich Zwängen – Abstände zu Siedlungen, Infrastruktur, Windverfügbarkeit etc. Oft überschneiden sich die daraus resultierenden Planungsgebiete mit wertvollen Naturräumen. Der Artenschutz droht hier immer öfters buchstäblich unter die Räder zu kommen. Umso wichtiger ist überregionale Zonierung. Es bringt nichts, wenn jede Gemeinde für sich versucht einen Windpark zu bauen, sondern die Politik ist gefragt, Zonen zu definieren und durchzusetzen, die den Zielen des Artenschutzes und des Energiesektors gerecht werden. In einigen Bundesländern – etwa in Niederösterreich – gibt es diese bereits. Bei deren Erstellung waren wir auch fachlich eingebunden. Dadurch werden zwar nicht alle Konflikte gelöst, aber eine faktenbasierte Zonierung reduziert allemal das Konfliktpotential. Eine weitere Möglichkeit ist auch das sogenannte »Repowering«, also die Effizienzsteigerung von bestehenden Windparks. So kann man vermeiden, dass neue Flächen verloren gehen. Unser Ziel ist es nicht, dagegen zu sein, sondern Konflikte zu minimieren.

Matthias Schmidt wirkt optimistisch. Der Ornithologe sieht sich nicht als Aktivist, sondern als »Bindeglied zwischen Forschung und Naturschutz.« Der 41-Jährige ist überzeugt, dass Fakten und methodische Standards dabei helfen, Zielkonflikte zu lösen. Schmidt hat Biologie in Wien studiert und ist eher zufällig im Urlaub auf die Faszination für Vögel gestoßen. »Ich bin spät, aber dafür schnell in die Vogelwelt gekippt«, erzählt der Wahl-Niederösterreicher. Hierzulande hätten Fans wie er »noch immer einen Exotenstatus«. Dabei ist die Vogelwelt spannend und spektakulär zugleich. Das zeigt sich etwa am Phänomen des Vogelzugs. Dank Telemetrie können aktuell Rohrweihen auf ihren Flugwegen von Österreich nach Westafrika mitverfolgt werden (Infobox). Die Leistungen von Zugvögeln begeistern Schmidt bis heute: »36 Stunden nonstop über’s Mittelmeer. Das ist faszinierend!«

Während ich mich kurz darauf von dem Protestzug durch die Straßen treiben lasse, fallen mir die Plakate einer bekannten Tierschutzorganisation ins Auge. »Tierschutz = Klimaschutz« ist darauf zu lesen. Für Menschen wie Matthias Schmidt ist der Zielkonflikt Klimaschutz vs. Naturschutz auf sachlicher Ebene lösbar. Wie viel Zeit wird uns für diese Aushandlungsprozesse bleiben, frage ich mich. Beides darf nicht gegeneinander ausgespielt werden, das ist klar. Mit dem gleichen Ziel vor Augen und einem geteilten Verständnis für die Wichtigkeit von Biodiversität und dem Schutz von Ökosystemen wird es hoffentlich funktionieren. Der Druck von der Straße kann dabei nicht schaden, das meint auch der Ornithologe. Jeder trommelt eben anders, aber alle trommeln für’s Klima.

 

Matthias Schmidt wurde in Deutschland geboren und wuchs in Salzburg auf. Nach seinem Studium der Biologie in Wien ist er seit 2006 im Vogelschutz aktiv. Seit 2010 ist Schmidt als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei BirdLife Österreich tätig.

 

Folgen des Ungleichgewichts: Viren im Donaudelta

Viren sind heute mehr denn je Teil unseres Lebens. Verantwortlich dafür ist vor allem die Zurückdrängung der Tier- und Pflanzenwelt. Der Biologe Alexandru TOMAZATOS forscht am Bernhard-NochtInstitut für Tropenmedizin in Hamburg und erklärt, welche Rolle gerade Vögel in der Verbreitung von Viren einnehmen.

Infektionskrankheiten, insbesondere solche, die durch sogenannte Vektoren wie Stechmücken und Zecken übertragen werden, geben zunehmend Anlass zur Sorge. Das Verbreitungsgebiet dieser Viren hat sich seit mehreren Jahrzehnten weltweit ausgeweitet, insbesondere bei dem durch Mücken übertragenen Dengue, Gelbfieber, Zika oder West-Nil-Virus. Sogenannte Arboviren (kurz für arthropode-borne viruses) sind keine richtige Klasse, sondern eine informelle Kategorie, die durch ein grundlegendes ökologisches Merkmal definiert ist: Es handelt sich dabei um Viren, die die Blutspeisung von Gliederfüßern wie Insekten (Arthropoden) »nutzen«, um einen Wirbeltierwirt zu infizieren. In fast allen bekannten Fällen haben Arboviren eine wichtige Eigenschaft gemein: Sie sind RNA-Viren mit einer sehr hohen Mutationsrate. Sie können sich also schnell entwickeln und sind sehr anpassungsfähig. Ihre Moskito-Vektoren sind zu vergleichbaren Leistungen fähig, wenn auch in einem anderen Ausmaß. Sie sind sehr anpassungsfähig und invasiv. Die Eier einiger Arten widerstehen über lange Zeiträume der Austrocknung und reisen in Altreifen, Dosen und anderen Frachtstücken um die Welt. So verließen etwa auch Tigermücke und Gelbfiebermücke ihre ursprünglichen Verbreitungsgebiete in den Wäldern Asiens bzw. Afrikas und passten sich an die neuen städtischen Umgebungen an. Beide Arten sind vom Säugetier- zum Menschenbiss übergegangen und haben sich an die Fortpflanzung in Containern angepasst. Dies hat zu großen Ausbrüchen von Dengue, Chikungunya oder Zika in tropischen und subtropischen städtischen Gebieten geführt. Die Viren gelangen aber auch nach Südeuropa, wo die Tigermücke (Ae. albopictus) sporadisch Dengue oder Chikungunya verbreiten kann, nachdem es zurückkehrende Reisende einschleppen.

West-Nil-Virus (WNV) am Vormarsch

Nach dem Dengue- gehört auch das West-Nil-Virus (WNV) zu den weltweit häufig verbreiteten Arboviren. Es kommt derzeit auf den meisten Kontinenten vor und breitet sich in den gemäßigten Regionen aus. In seinem natürlichen Zyklus wird das WNV zwischen Culex-Mücken und Vögeln übertragen. Veränderungen in der Ökologie von Vektoren oder Wirten führen zu unterschiedlichen Wechselwirkungen und beeinflussen den Viruszyklus. Wenn etwa die bevorzugten Vögel in einem Gebiet auf dem Zug sind, können die Mücken ihre Nahrungspräferenz auf verfügbare Menschen oder Haustiere verlagern. Wenn das WNV dem primären Mücken-Vogel-Mücken-Zyklus entkommt und Menschen oder Pferde infiziert, gerät es in »Sackgassen«. Es kann sich in diesen Wirten nicht in dem Maße vermehren, wie es für eine erneute Infektion einer Stechmücke erforderlich wäre. Obwohl die Mehrzahl der Infektionen beim Menschen keine Symptome zeigt, entwickeln etwa ein Prozent der Fälle Meningitis, Enzephalitis und/oder Poliomyelitis. Bei Pferden treten in der Regel häufiger neurologische Komplikationen auf, obwohl es für sie einen WNV-Impfstoff gibt.

Per Vogel ins Donaudelta

Das Donaudelta, vor allem bekannt für seine Vogelfauna, ist das zweitgrößte Feuchtgebiet Europas und ein Hotspot der biologischen Vielfalt. Es ist ein reichhaltiger Komplex von Ökosystemen, der als wichtiger Knotenpunkt für den Vogelzug zwischen Afrika und Eurasien dient. Das ausgedehnte Mosaik aus Seen und Sümpfen, die durch ein Labyrinth von Kanälen miteinander verbunden und in das weltweit größte kompakte Schilfreservat eingebettet sind, bietet Nahrung und Nistmöglichkeiten für mehr als 300 Vogelarten. Viele Vögel nehmen eine Rolle beim Transport exotischer Krankheitserreger ein, entweder als biologische Träger (z.B. als Reservoirwirte) oder als Überträger infizierter Parasiten wie Zecken. Manche Spezies finden im Donaudelta reichhaltige und vielfältige Gemeinschaften blutfressender Arthropoden, die mit neuen exotischen Krankheitserregern in Kontakt kommen oder einheimische Krankheitserreger an Vögel weitergeben können. Das West-Nil-Virus ist eines der zentralen Viren in Europa, da es in zahlreichen südlichen, mittleren und südöstlichen Ländern endemisch ist. Vor kurzem breitete es sich auch nach Norden bis nach Deutschland und in die Niederlande aus, was vor allem auf das veränderte Klima zurückzuführen ist. Aufgrund von Evolutionsstudien geht man davon aus, dass der Ursprung des Virus in Afrika liegt. Die Forschung nimmt an, dass die wiederholte Einschleppung nach Europa über den Vogelzug erfolgt. Durch die Sequenzierung seines Genoms können wir die zeitliche und räumliche Entwicklung des Virus modellieren. Diese phylogeografische Analyse von Proben aus Europa und Afrika zeigt auf, dass die am stärksten betroffenen Naturräume entlang der wichtigsten Migrationskorridore liegen und von Vögeln intensiv genutzt werden. Das ausgedehnte Netz von Zugrouten lässt sich anhand der großen Korridore, über die die Vögel das Mittelmeer im Westen (Gibraltar), im Zentrum (Italienische Halbinsel) und im Osten (Israel, Türkei, Bosporus, Donaudelta) durchqueren. Im Donaudelta haben wir festgestellt, dass das lokale West-Nil-Virus eng mit dem zirkulierenden Virus in der Ukraine und jenem im Wolgadelta verwandt ist. Zusammengenommen haben diese osteuropäischen Virusstämme einen gemeinsamen Ursprung im südlichen und östlichen Teil Afrikas. Die Balkanhalbinsel ist eine weitere Region, über die das Virus häufig nach Europa kommt. Von Griechenland aus gelangt es zu wichtigen Knotenpunkten wie Serbien oder Ungarn. Danach breitet es sich nach Österreich und von dort hauptsächlich nach Westen aus. Dabei handelt es sich um eine vereinfachte Darstellung der Virusausbreitung, da es weniger genetische Daten aus Osteuropa gibt als etwa aus dem Westen. Auch über die Überwinterung des Virus, insbesondere im Osten Europas, ist noch wenig bekannt.

Feldforschung im Donaudelta

Die Erfassung von Überträgerarten im Donaudelta ist schwierig, da die Kerngebiete nur mit dem Boot erreichbar sind. Auch lassen sich manche Arten nicht mit den üblichen Fallen einfangen. Arboviren können über lange Zeiträume hinweg unbemerkt zirkulieren. Eine stille, unbemerkte Verbreitung in suboptimalen Zeiten ist typisch für Arbovirus-Zyklen. Sobald sich die Bedingungen wieder bessern, zum Beispiel die Dichte von Stechmücken oder Vögeln zunimmt, intensiviert sich auch die Virusübertragung und kann rasch epidemische Ausmaße erreichen. Als das WestNil-Virus im Donaudelta auf sehr niedrigem Niveau im Umlauf war versuchten wir einen neuen Ansatz: Wir benutzten die gesammelten Mücken mit ihrem Blut als »fliegende Spritzen«, um zu sehen, ob wir immunologische Signale der Infektion im Blut des Wirts nachweisen konnten. Wir sequenzierten zunächst die DNA der Blutmahlzeiten der Mücken und identifizierten damit die Wirte. Dann suchten wir nach Antikörpern gegen das West-Nil-Virus und verwandten Viren in Mücken, die sich von Menschen, Pferden, Hunden und Vögeln ernährt hatten. Bei Blutmahlzeiten von Hunden und Pferden führte diese Methode zu Treffern. Interessenterweise konnten wir dabei in der Blutmahlzeit eines Hundes auch Antikörper gegen das Usutu-Virus feststellen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten taucht dieser enge Verwandte des West-Nil-Virus immer wieder in Europa auf. In Wien verursachte Usutu Anfang der 2000er Jahre enormes Vogelsterben. Hunderttausende Vögel, darunter vor allem Amseln, verendeten. Beim Menschen traten die Symptome aber sehr selten und mild auf. In den letzten Jahren haben außergewöhnlich heiße Sommer die Entwicklung von Stechmücken und die Ausbreitung beider Viren in ganz Europa gefördert. Bei Usutu könnte die Zahl der menschlichen Fälle, einschließlich neurologischer Erkrankungen, allerdings stark ansteigen. Darüber hinaus trägt die große Verwandtschaft zwischen den beiden Viren dazu bei, dass das Auftreten dieses Virus in Europa unterschätzt wird.

Gesundheit ohne Grenzen

Die biologische Vielfalt spielt eine wichtige Rolle in der Ökologie von Krankheiten. Manche Wirte begünstigen Epidemien, andere dämpfen oder verhindern die Ausbreitung, indem sie als »Verdünnungswirte« fungieren. Unter bestimmten Bedingungen kann sich diese auch verstärken. Denn wenn der Mensch die biologische Vielfalt verringert, verändern sich auch das Verhalten der Arten und die Muster der Krankheitsübertragung, was oft gerade in dicht besiedelten städtischen Gebieten Folgen hat. Durch die Ausweitung unserer Zivilisation und die Veränderung von Landschaften kommen wir mit Viren in Kontakt, die zuvor auf ungestörte Naturgebiete beschränkt waren. So bieten wir ihnen die Möglichkeit, den Wirt zu wechseln und neue Entwicklungswege außerhalb ihres angestammten Verbreitungsgebiets und in unsere Städte zu beschreiten. Schätzungsweise 75 Prozent der menschlichen Infektionen werden mit anderen Tieren geteilt. Diese Tatsache bildet die Grundlage des One-Health-Ansatzes. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die Grenzen zwischen der Gesundheit von Mensch, Tier und Ökosystem künstlich sind – alle drei sind voneinander abhängig.

Dobson et al. 2006. Sacred Cows and Sympathetic Squirrels: The Importance of Biological Diversity to Human Health. PLoS Medicine, doi:10.1371/journal.pmed.0030231

Tomazatos et al. 2019. Ecology of West Nile Virus in the Danube Delta, Romania: Phylogeography, Xenosurveillance and Mosquito
Host-Feeding Patterns. Viruses, 11, 1159; doi:10.3390/v11121159

 

Alexandru Tomazatos ist als Biologe in der Abteilung Arbovirologie des Bernhard-NochtInstituts für Tropenmedizin in Hamburg tätig. Er hat kürzlich seine Doktorarbeit zum Thema Entdeckung und Überwachung von Viren im Donaudelta abgeschlossen und forscht derzeit im Virus Discovery and Evolution Lab.

Biodiversität: Mehr als nur Artenvielfalt

Vom großflächigen Ökosystem bis zur DNA einzelner Arten: Vielfalt zeigt sich auf verschiedenen Ebenen. Für effektiven Naturschutz bedeutet das, der Komplexität mit verstärkter Forschung zu begegnen. Die NaturschutzbiologInnen Julia GEUE und Henri THOMASSEN erklären, was es braucht, um Vielfalt als Ganzes zu begreifen.

Was stellen Sie sich unter Biodiversität vor? Vielleicht denken Sie an einen Regenwald mit all seinen verschiedenen Tier- und Pflanzenarten. Unddas zu Recht, denn Regenwälder gehören zu den »vielfältigsten« Regionen der Welt, wenn es um die Anzahl der dort lebenden Arten geht! Aber biologische Vielfalt ist mehr als die generelle Anzahl und Vielfalt von Arten. Sie umfasst auch die Fülle an Arten, die in einem speziellen Gebiet zusammenleben und darin miteinander interagieren, sowie die Diversität der Ökosysteme. Auf der kleinsten Ebene umfasst sie all die verschiedenen Gene und ihre Formen wie sie in der DNA von Lebewesen vorhanden sind. Ein Gen ist jener Teil der DNA, welcher ein bestimmtes Merkmal bedingt. Die verschiedenen Formen von Genen werden Allele genannt. So kann beispielsweise ein Gen, das die Blütenfarbe bestimmt, in seiner einfachsten Form eine von zwei verschiedenen Formen (Allele) annehmen: eine Form für weiße und eine Form für rote Blüten. Gene bestimmen also das Spielfeld, innerhalb dessen ein Organismus jede beliebige Form annehmen kann. Ohne Variation in Genen und Allelen gäbe es keine Vielfalt zwischen Individuen, Arten oder Ökosystemen. Die unterschiedlichen Formen von Allelen kommen durch den Prozess der Zellteilung zustande, bei dem die DNA des Organismus repliziert wird. Wenn jedoch beim Kopieren der Erbinformation Fehler passieren, sprechen wir von Mutationen. Sie sind dann die Quelle neu entstandener Vielfalt. Einige Mutationen können für das Individuum nachteilig (negative Mutation), andere wiederum von Vorteil (positive Mutation) sein. Eine »positive Mutation« kann etwa dazu führen, dass ein Beutetier schneller läuft als ein Raubtier. Das ermöglicht ihm einen Vorteil zu anderen, langsameren Tieren derselben Art. Es kann aufgrund seiner Überlebensfähigkeit mehr Nachkommen aufziehen, seine vorteilhafte Mutation an zukünftige Generationen weitergeben und damit ebenfalls schnelle Läufer in die Welt setzen. Dieser Prozess wird als Natürliche Selektion bezeichnet. Die Individuen mit dem vorteilhaften Allel sind besser angepasst als die ohne.

Eine Frage der Priorität

Der biologische Reichtum unserer Erde ist durch menschliches Handeln stark bedroht. Verschmutzung, Überfischung, Zerstörung von Lebensräumen, Klimawandel usw. Die Liste der Bedrohungen ist lang und wohlbekannt. Obwohl die ethischen Überlegungen zum Verlust der biologischen Vielfalt von Person zu Person unterschiedlich sind, gibt es viele objektive Gründe, warum der Verlust der biologischen Vielfalt schlecht für uns Menschen ist. Um nur einige ihrer Leistungen zu nennen: Viele Insektenarten bestäuben Nutzpflanzen und sorgen damit für Essen auf unseren Tellern; ein gesundes Ökosystem kontrolliert die Arten, die wir als Schädlinge betrachten; Mikroorganismen tragen zur Reinigung der Umwelt bei; Mangroven und Korallenriffe schützen unsere Küstengebiete; Zeit in der Natur zu verbringen ist gut für unsere mentale Gesundheit uvm. Es liegt also in unserem Interesse, die biologische Vielfalt zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie nicht völlig verloren geht. Aber wie können wir entscheiden, was wir zuerst schützen und worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten sollen? Es gibt eine lange Reihe an verschiedenen Formen der Prioritätensetzung beim Schutz der biologischen Vielfalt. Wichtig dabei ist, dass die meiste Aufmerksamkeit bisher nur einem Teil der biologischen Vielfalt gewidmet wurde: der Artenvielfalt. Gebiete, in denen es viele Arten gibt, sind Hotspots des Artenreichtums und werden gegenüber anderen, weniger artenreichen Gebieten bevorzugt. Das ist sehr sinnvoll, denn der Schutz von Hotspots schützt viele Arten auf einmal und ist damit eine effiziente Strategie. Die Idee ist also, dass die biologische Vielfalt auf Dauer erhalten bleibt, solange wir genügend Land zur Verfügung stellen, um alle vorhandenen Arten zu schützen. Aber was passiert, wenn die Verschmutzung der Umwelt in Naturschutzgebiete vordringt? Was, wenn der Klimawandel die Naturschutzgebiete wärmer und trockener macht? Was, wenn sich die Lebewesen dieser Gebiete nicht gut an die neuen Bedingungen anpassen, wenn sie nicht über jene Allele verfügen, die ihnen den nötigen Vorteil verschaffen, wenn das Klima extremer wird? Diese Individuen würden es trotz engagierten Artenschutzes nicht schaffen, und die Art (der sie angehören) könnte an den Rand des Aussterbens gebracht werden. Hätten einige Individuen das nötige Allel, könnten sie sich besser an wärmere und trockenere Bedingungen anpassen. Durch ihre Nachkommenschaft hätten nicht nur sie, sondern auch die gesamte Art bessere Chancen, langfristig zu überleben. Mit diesem Beispiel wollen wir zeigen, wie wichtig es ist, nicht nur die Arten zu schützen, sondern auch die genetische Vielfalt innerhalb dieser Arten – all die verschiedenen Allele von Genen. Ein zentraler Schritt besteht in der Kartierung der genetischen Vielfalt. Doch die genetische Variation und ihre Verteilung über das Verbreitungsgebiet einer Art zu ermitteln, ist keine leichte Aufgabe. Bei den meisten Arten, abgesehen von beliebten und faszinierenden Arten wie den Vögeln, wissen wir oft nicht einmal genau, wo sie vorkommen, geschweige denn, wie ihre genetische Variation verteilt ist. Richten wir den Fokus auf eine weitverbreitete Vogelart wie den Haussperling, wissen wir genau wo dieser vorkommt und können dadurch auch die genetische Vielfalt an verschiedenen Standorten kartieren. Diese genetische Vielfalt kann man anschließend mit Umweltvariablen verknüpfen und somit über das gesamte Verbreitungsgebiet übertragen. Das Verstehen von genetischen Verbreitungsmustern ermöglicht Einblicke in evolutionäre Prozesse, etwa die genannte Natürliche Selektion. Mit diesem Verständnis können WissenschaftlerInnen nachvollziehen, wie sich Veränderungen in der Umwelt auf die biologische Vielfalt (besonders auf die genetische Vielfalt) auswirken. Das ermöglicht es schließlich, angemessene Maßnahmen zur Erhaltung und bessere Managementpraktiken zu ergreifen.

Forschung für gezielten Naturschutz

Biodiversität ist ein sehr komplexes Konstrukt, und häufig ist es nicht möglich, die gesamte biologische Vielfalt auf diese Weise zu erfassen. Daher sind Wissenschaft und Naturschutz häufig auf den Einsatz von sogenannten Biodiversitäts-Stellvertreter-Indikatoren (Biodiversity surrogates) angewiesen. Darunter verstehen wir Maßstäbe für die biologische Vielfalt, die hoffentlich auch andere Ebenen der biologischen Vielfalt repräsentieren. So können beispielsweise Gegenden mit einem Reichtum an Vogelarten auch viele Amphibienarten aufweisen oder insgesamt Hotspots für eine große Vielfalt an Ökosystemen/Habitaten darstellen. Allerdings wissen wir auch, dass diese Überschneidung leider nicht immer der Fall ist. Eine Studie zur Verwendung der genannten Stellvertreter-Indikatoren in Rumänien hat gezeigt, dass wir nur bedingt darauf vertrauen können. In dieser Studie wurden zwei von insgesamt drei Biodiversitätslevel untersucht, darunter die Vielfalt der Arten und Ökosysteme. Wir identifizierten Hotspots mit einem Reichtum von 137 verschiedenen Vogelarten und verglichen sie mit jenen Gegenden, die eine hohe Vielfalt an Habitaten aufweisen. Die Hotspots haben sich nur teilweise überschnitten, weshalb sie weniger effizient als gegenseitige Maßstäbe für Biodiversität dienen als ursprünglich angenommen.

Genetische Vielfalt untersuchen

Nun stellt sich die Frage, ob Hotspots des Artenreichtums auch Hotspots der genetischen Variation sein könnten. Die Antwort steht noch aus, aber es scheint zumindest keine allgemeingültige Aussage zu geben. Die Aufgabe der Forschung besteht also darin, die genetische Variation, den Artenreichtum und die Vielfalt der Lebensräume und Ökosysteme zu kartieren und in der Folge die Erkenntnisse bei der Festlegung von Naturschutzgebieten und deren Erhaltung zu berücksichtigen.

 

Henri Thomassen ist Naturschutzbiologe an der Universität Tübingen (Deutschland) und arbeitet an der Schnittstelle zwischen Evolutionsbiologie, Ökologie und Naturschutz. Sein besonderes Interesse gilt dem Verständnis und dem Schutz der genetischen Vielfalt. Er hat in vielen Regionen der Welt gearbeitet, konzentriert sich aber derzeit auf Osteuropa und Deutschland.

Julia Geue ist Naturschutzbiologin und arbeitet an der Universität Umeå (Schweden). Ihr Hauptinteresse gilt der Zusammenführung von verschiedenen Forschungsbereichen, wie der Evolutionsökologie, Genetik und der Erhaltung der biologischen Vielfalt. Sie hat bisher mit unterschiedlichen Arten von Vögeln, Hummeln und Nadelbäumen in verschiedenen Regionen Osteuropas und Eurasiens gearbeitet.

Energy market Poland transition

Opinion Piece (CoFoE): Can the EU speak with one voice about its foreign policy?

Lorem ipsum dolor sit amet,

consetetur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt ut labore et dolore magna aliquyam erat, sed diam voluptua. At vero eos et accusam et justo duo dolores et ea rebum. Stet clita kasd gubergren, no sea takimata sanctus est Lorem ipsum dolor sit amet. Lorem ipsum dolor sit amet, consetetur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt ut labore et dolore magna aliquyam erat, sed diam voluptua. At vero eos et accusam et justo duo dolores et ea rebum. Stet clita kasd gubergren, no sea takimata sanctus est Lorem ipsum dolor sit amet.

Todesursache: Mensch

Die Donau-Auen zählen zu den wichtigsten Brutgebieten der Seeadler, Kaiseradler und Rotmilane. Illegale Vergiftungen und Abschüsse gehören zu den häufigsten Todesursachen von Greifvögeln. Auch Windparks bergen Risikos. Der Ornithologe RAINER RAAB zeigt Lösungsansätze auf.

Die Rückkehr des Seeadlers nach Mitteleuropa und nach Österreich, wo er auch die Donau als Brutgebiet nutzt, ist eine Erfolgsgeschichte des Artenschutzes. Doch gerade durch illegale Handlungen des Menschen ist der Bestand immer wieder regional gefährdet. Die Vergiftung bzw. das Auslegen von Giftködern zählt zu den Haupttodesursachen von Greifvögeln in Europa. So sterben beispielsweise beim Rotmilan nach neuesten Daten des LIFE EUROKITE Projektes europaweit mehr als 25 Prozent der Individuen durch illegale Verfolgung (Stand: 30.09.2021; bei Auswertung von mehr als 500 besenderten Rotmilanen, die bereits verstorben sind). Betrachtet man nur jene Rotmilane, die erfolgreich das Nest verlassen haben, betrifft die Wildtierkriminalität in manchen Regionen sogar deutlich mehr als die Hälfte der besenderten Vögel.

Weitreichende Schäden durch Köder

Wegen der schwerwiegenden Auswirkungen auf die Populationen, gilt die Vergiftung laut BirdLife International als eines der größten Probleme von Greifvögeln. Man unterscheidet zwischen direkter Vergiftung (Giftköder), indirekter Vergiftung und sekundärer Vergiftung. Der vorbereitete Köder wird an einer Stelle ausgelegt, die für die Zielarten und häufig für andere Nichtzielarten zugänglich ist. Das Auslegen von Giftködern ist daher eine großflächige, nicht selektive und zerstörerische Kontrollmethode, die ebenso einen enormen Einfluss auf Nichtzielarten hat. Es kann sogar ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen. Illegales Vergiften kann legale alltägliche Substanzen umfassen, die jedoch auf illegale Weise verwendet werden, sowie illegale Substanzen (z.B. Carbofuran oder Aldicarb). Die häufigsten Substanzen, die in Giftködern verwendet werden, sind Insektizide und in geringerem Maße Rodentizide, üblicherweise solche, die von Anwendern als hochgiftig bezeichnet werden. In Ungarn wurde Carbofuran laut MME (BirdLife Ungarn) in 85 Prozent der 476 Vögel nachgewiesen, die zwischen 2000 und 2015 durch Köder vergiftet wurden, um Raubtiere illegal zu bekämpfen. Viele der von BirdLife International entwickelten und von der EU finanzierten Artenaktionspläne (etwa 50 Vogelarten) erkennen Vergiftungen als Bedrohung an und empfehlen in den meisten Plänen für Greifvögel (z.B. Rotmilan, Kaiseradler und Geier) gezielte Maßnahmen dagegen.

Im Einklang mit Windparks

Da der Klimawandel die Lebensbedingungen für die Arten verändert, ist ein effizienter Klimaschutz Voraussetzung für eine langfristige Erhaltung gefährdeter Arten. Das Technische Büro Raab unterstützt daher den Ausbau erneuerbarer Energie im Einklang mit der Erhaltung wertvoller Lebensräume und Arten. Um diese Ziele zu erreichen, bauen wir auf eine Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Jagd und Naturschutz sowie Energieversorgern auf. Die mittlerweile millionenfach vorliegenden Telemetriedaten von besenderten Vögeln sollten bei künftigen Windparkund Photovoltaikprojekten bei der Standortwahl unbedingt mitberücksichtigt werden. Durch die Verwendung bereits vorliegender Telemetriedaten und die Modellierung der Lebensräume der relevanten Arten aus diesen Daten, kann eine Verkürzung der Genehmigungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) für den Ausbau erneuerbarer Energie gelingen. Dadurch kann die Artenvielfalt entlang der Donau und der Ausbau von Windkraft sowie Photovoltaik im Umfeld der Aulandschaften miteinander im Einklang stehen.

Im Einsatz für die Rotmilane

Im Dezember 2019 wurde das Projekt »Cross-border protection of the Red Kite in Europe by reducing human-caused mortality« gestartet. Es handelt sich dabei um ein Projekt des LIFE-Programms, eines Investitionsprogramms der Europäischen Union für Klima-, Natur- und Umweltschutz. Genau wie die Donau durch zahlreiche Länder Europas fließt, steht auch im Projekt LIFE EUROKITE die internationale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Vordergrund. Die Kernidee des Projekts, das seit Februar 2020 durch unser Büro umgesetzt wird, besteht darin, mithilfe von Telemetriedaten die Lebensraumnutzung der Zielarten (Rotmilan, Kaiseradler, Seeadler & Schwarzmilan) zu ermitteln. Dies ermöglicht eine Quantifizierung der Hauptgründe für die Sterblichkeit von Greifvogelarten in der EU. Ziel ist es, die wichtigsten vom Menschen verursachten Todesursachen zu vermeiden. Dazu gehören Schutzmaßnahmen gegen illegale Verfolgung (insbesondere durch Vergiftung), Kollisionen mit Straßen- und Schienenverkehr, Windparks und Stromleitungen sowie gegen Stromschlag an Mittelspannungsleitungen.

Schutz durch Tracking

Von der Mitteleuropäischen Gesellschaft zur Erhaltung der Greifvögel (MEGEG) wurden bzw. werden bis 2024 zusammen mit derzeit 18 Partnern, 14 Kofinanzierern und mehr als 20 Kooperationspartnern in ganz Europa mehr als 2.000 Rotmilane und zahlreiche andere Greifvögel (Seeadler, Kaiseradler & Schwarzmilan) in ca. 40 Projektgebieten in 12 Ländern mit GPS-Trackern ausgestattet, wodurch ihre Aktivitäten dauerhaft nachvollzogen werden können. Im Todesfall wird der Vogel von Teammitgliedern der lokalen bzw. regionalen Partner gesucht und die Todesursache wird nach Befolgung eines Mortalitätsprotokolls und wenn möglich, durch eine pathologische Untersuchung ermittelt. Während der Projektlaufzeit werden verstorbene, besenderte Rotmilane in bis zu 26 Ländern protokolliert. Auf diese Weise erhält man ein genaues Verständnis über die verschiedenen Todesursachen bei Rotmilanen und anderen Greifvögeln in ihrem jeweiligen Verbreitungsgebiet. Ein großer Vorteil dieser Methode besteht darin, dass die GPS-Verfolgung von Vögeln und die Post-Mortem-Analyse »in Echtzeit« funktionieren und sofortiges Handeln ermöglichen. Innerhalb des LIFE EUROKITE Projektes kann damit eine repräsentative Stichprobe aller Todesursachen in einem großen geografischen Gebiet unabhängig und digital transparent ermittelt werden. Das Ergebnis ist eine bessere Übersicht von gehäuften Todesfällen, wodurch innerhalb des Projektes LIFE EUROKITE Schutzmaßnahmen zielgerichtet umgesetzt werden.

 

Mag. Dr. Rainer Raab studierte Zoologie und Ökologie an der Universität Wien. Seit 1991 zahlreiche libellen- und vogelkundliche Arbeiten für diverse Auftraggeber – seit Februar 2001 als Technisches Büro für Biologie. Seit 2005 Umsetzung von mehreren grenzüberschreitenden LIFE-Projekten.