Frauenhass mit einem Klick

Diffamierungen und Hasskommentare sind in den sozialen Medien allgegenwärtig. Marginalisierte Gruppen sind besonders häufig von ihnen betroffen. MILA JOSIFOVSKA DANILOVSKA und DESPINA KOVAČEVSKA berichten über geschlechtsspezifische Online-Hassreden in Nordmazedonien.

Anfang 2024 sprach das Gericht in Bitola das erste Urteil wegen Hassrede gegen die LGBTQIA+ Gemeinschaft in Nordmazedonien. Die Beklagte wurde schuldig befunden, durch wiederholte Äußerungen auf Facebook, schwere Diskriminierung gegen queere Personen begangen zu haben. Die Community verbucht dieses erstmalige Urteil als Erfolg in ihrem langen Kampf gegen Diskriminierung. Nichtsdestotrotz bleibt die rechtliche Situation von Hassrede in Nordmazedonien, vor allem jene, die im Internet und aufgrund von geschlechtsspezifischen Merkmalen begangen wird, vage. 

Hass im Netz trifft viele, vor allem in der Öffentlichkeit stehende Personen, egal ob Politiker*innen, Journalist*innen oder Influencer*innen. Obwohl der Europarat und die Vereinten Nationen einen Rahmen für die weltweite Bekämpfung von Hassrede abgesteckt haben, fehlt bislang eine allgemeine Definition dieses Phänomens. Daher pflegen verschiedene Staaten auch einen unterschiedlichen Umgang mit Hass im Netz: Die USA betonen das in der Verfassung verankerte Recht auf freie Meinungsäußerung, während Europa bei gleichzeitigem Schutz der Redefreiheit rigoroser gegen Hetze vorgeht.  

Frauen als Zielscheibe von Hass im Netz 

Besonders Frauen sind im Internet häufig von geschlechtsspezifischem Hass betroffen. Die Metamorphosis Foundation untersuchte die Zusammenhänge von Gender und Online-Hassrede sowie die behördliche Behandlung dieser Vorfälle in Nordmazedonien. Geschlechtsspezifische Hassreden auf Online-Plattformen richteten sich demnach insbesondere gegen Journalistinnen, Aktivistinnen und Politikerinnen. Doch auch offline sind Frauen in öffentlichen Ämtern einer Flut von Beschimpfungen, Drohungen, Beleidigungen und Verleumdungen ausgesetzt. Politischen Persönlichkeiten wie der Bürgermeisterin von Skopje, Danela Arsovska, und der Verteidigungsministerin Slavjanka Petrovska werden ihre Autorität und Legitimität abgesprochen. Auch Journalistinnen werden aufgrund ihrer Berichterstattung oft Opfer von Hass. Tanja Milevska, die als Brüssel-Korrespondentin für die nordmazedonische Nachrichtenagentur MIA arbeitet, traf ein Shitstorms, weil sie die Regierung kritisierte. Miroslava Byrns, die derzeit für Sloboden Pecat schreibt, wurde aufgrund eines Artikels, in dem sie Verstöße gegen den Journalist*innenkodex aufdeckte, diffamiert. Und auch Akademikerinnen wie Katerina Kolozova und Influencerinnen wie Mia Kostova bleiben von Hassreden nicht verschont.  

Obwohl ihre öffentlichen Stellungnahmen die darauffolgenden Angriffe auslösen, bezieht sich der Hass gegen diese Frauen meist nicht auf ihre Aussagen, sondern ihr Erscheinungsbild. Bodyshaming, Rassismus und Misogynie beweisen die komplexe Intersektionalität von Hassreden gegen Frauen im Internet. Im Gegensatz beziehen sich Angriffe auf Männer eher auf deren Intelligenz oder Promiskuität. Facebook erweist sich als wichtigste Plattform für online Hassreden, da es auch das meistgenutzte soziale Netzwerk in Nordmazedonien ist.  

Hassreden im Internet bleiben oft unbestraft  

Die nordmazedonische Verfassung erklärt unmissverständlich die Gleichheit der Bürger*innen in Bezug auf ihre Freiheiten und Rechte, ungeachtet des Geschlechts, der Ethnizität, der Nationalität, der politischen oder religiösen Überzeugungen, des Eigentums oder des sozialen Status. Während traditionelle Medien einem klaren Rechtsrahmen unterliegen, arbeiten viele Online-Portale außerhalb der behördlichen Aufsicht. Das Strafgesetzbuch und Mediengesetz enthalten keine ausdrücklichen Bestimmungen zu Online-Hassreden, doch der Artikel 394(g) stellt die Verbreitung rassistischer und fremdenfeindlicher Inhalte über Computersysteme unter Strafe. Nichtsdestotrotz macht das Fehlen eines klaren Eintrages in der Legislation den Kampf gegen Online-Formen von Hassrede und Diskriminierung schwierig. 

Die milde Haltung der Justiz zeigt sich auch darin, dass bei Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Online-Hassreden Bewährungsstrafen üblich sind. Eine Analyse von Gerichtsurteilen, die sich auf Artikel 394(g) berufen, zeigt, dass Fälle von Online-Missbrauch oft auf die politische Zugehörigkeit des Opfers zurückzuführen sind, insbesondere bei Beamt*innen. Darüber hinaus sind Hassreden auf der Grundlage des persönlichen oder sozialen Status weit verbreitet. Einige Fälle umfassen Hassreden auf der Grundlage von Religion, ethnischer Zugehörigkeit und Alter. Die Analyse zeigt jedoch auch, dass es keine Urteile zu Hassreden aufgrund von Geschlecht oder Genderidentität gibt. 

Die lückenhafte Definition von Hassreden und die mangelhafte Regulierung von Online-Medien verschärfen das Problem und lassen Täter*innen oft ungestraft davonkommen. Nur selten melden Betroffene diese Vorfälle. Eine Umfrage unter 103 Befragten zeigt, dass 65 % selbst bereits Opfer von Hassreden wurden oder jemanden kennen, aber nur 40 % die Vorfälle an staatliche Einrichtungen oder soziale Medien meldeten. Die Ergebnisse der Meldungen reichten von keinerlei Maßnahmen bis hin zur Entfernung der Nachrichten und zur Sperrung des Plattformzugangs der Täter*innen. Als Grund, warum sie Vorfälle nicht meldeten, nannten die Befragten Skepsis gegenüber der Wirksamkeit, das geringe Vertrauen in institutionelle Mechanismen und Angst vor Polizeikorruption. Zudem gaben einige an, nicht zu wissen, wo oder wie sie Vorfälle melden sollten. Diese Kommunikationslücke unterstreicht die Notwendigkeit einer effektiveren Verbreitung von Informationen über verfügbare Ressourcen und Meldewege, um Hassreden im Internet wirksam zu bekämpfen.  

Im Rahmen unseres Forschungsprojekts befragten wir auch Anwaltskanzleien und zivilgesellschaftliche Organisationen zur Häufigkeit der Inanspruchnahme von Rechtshilfe in Fällen von Online-Hassreden. 42% der Anwaltskanzleien und zwei Drittel der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die kostenlose Rechtshilfe anbieten, gaben an, noch nie um Unterstützung in solchen Fällen gefragt worden zu sein. Am häufigsten würden jedoch erwerbstätige Frauen im Alter von 30-55 Jahren in Skopje um Hilfe in solchen Fällen suchen.  

Öffentliches Bewusstsein stärken  

Insbesondere zivilgesellschaftliche Organisationen plädieren für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Online-Täter*innen und eine stärkere administrative Kontrolle von Social-Media-Plattformen. Sie weisen auch auf die Herausforderungen hin, die durch gefälschte Profile entstehen, und betonen die Notwendigkeit öffentlicher Sensibilisierungskampagnen. Bei all diesen Sensibilisierungsmaßnahmen muss auch die geschlechtsspezifische Natur von Hassreden im Internet berücksichtigt werden. Die Hate-Speech-Plattform des mazedonischen Helsinki-Komitees zeigt Spitzenwerte der gemeldeten Fälle im Jahr 2020. Gerade während der COVID-19-Pandemie nahmen Hassreden im Netz sowie die gemeldeten Fälle in Nordmazedonien stark zu – auch wegen des pandemiebedingten Anstiegs der Online-Aktivitäten, der zunehmenden digitalen Polarisierung und der geringen digitalen Kompetenz in der Bevölkerung. In den Jahren danach ist ein Rückgang zu verzeichnen, da sich Nutzer*innen möglicherweise selbst zensierten, um Gegenreaktionen zu vermeiden. Hassreden, die sich gegen die LGBTQIA+ Gemeinschaft richten, häufen sich dagegen weiterhin bei Veranstaltungen wie der Pride-Parade.  

In Nordmazedonien verschärft geschlechtsspezifische Online-Hassrede häufig die bestehenden Herausforderungen für Frauen. Gerade in patriarchalen Kulturen wie auf dem Balkan wird geschlechtsspezifischer Hass gegen Frauen oft bagatellisiert. Im Oktober 2022 wies die Europäische Kommission darauf hin, dass Nordmazedonien die Umsetzung der Gesetze gegen Hassreden und den nationalen Aktionsplan zur Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen verbessern muss. Die Kommission identifizierte Online-Medienplattformen als Hauptquelle für Desinformation und Hassreden. Der Bericht sprach sich schließlich für Kampagnen aus, um das Verständnis der Beteiligten und der Öffentlichkeit zu verbessern.  

Rechtliche Grundlagen schaffen 

Mittlerweile hat auch das Strafgesetzbuch Änderungen erfahren. So werden Angriffe auf Journalist*innen seit 2023 ähnlich wie Vorfälle gegen Beamt*innen oder Rechtsanwält*innen geahndet, für die eine Gefängnisstrafe vorgesehen ist. Außerdem wurde das Spektrum der Gründe, die Personen zu Opfer von Straftaten machen können – online oder im realen Leben – erweitert. Diese umfassen nun auch die Kategorien Geschlecht, sexuelle Orientierung und Genderidentität. 

Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert jedoch weiterhin Verbesserungen der rechtlichen Infrastruktur und der Mechanismen zur Rechenschaftspflicht für Online-Plattformen. Opfer zu ermächtigen, Vorfälle zu melden, und die Förderung einer Kultur der digitalen Verantwortung sind entscheidende Schritte zur Bekämpfung von Hass im Netz. Untätigkeit führt nicht nur dazu, dass Einzelpersonen weiter geschädigt werden, sondern untergräbt auch das Vertrauen in digitale Räume. 

 

Mila Josifovska Danilovska ist Programmmanagerin der Metamorphosis Foundation for Internet and Society in Nordmazedonien. Sie setzt sich für Menschenrechte im Internet ein und fördert digitale Inklusion. 

Despina Kovačevska ist Spezialistin für Medienbeobachtung und konzentriert sich auf die Analyse von Medieninhalten im Hinblick auf Desinformation und Hassrede.