Daniel Martínek über die Wahlen in der Slowakei für den Eastblog und DerStandard

Im Nachbarland Österreichs finden im September Parlamentswahlen statt. Unser Kollege Daniel Martínek analysiert die Stimmung in der Slowakei und mögliche regionale Auswirkungen für den Eastblog der Forschungsgruppe Osteuropa am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und DerStandard. 

Eastblog

DerStandard

 

Dieser Text wurde auch ins Englische übersetzt und ist hier abrufbar.

Buchempfehlungen

 

Sebastian Schäffer

Milan Radin: Der Tormann, Leykam 2021

Für diesen Sommer empfehle ich eine leichtere Lektüre, die zwei meiner Lieblingsthemen kombiniert: Die Donauregion und Fußball. Die Geschichte folgt Helmut Duckadam, einem rumänischen Torwart, der im Europapokal-Finale 1986 gegen den FC Barcelona vier Elfmeter hielt und so den Sieg von Steaua Bukarest sicherstellte. Das Buch hat mir viel über die Banater Schwaben, den Kreis Arad, den rumänischen Fußball und das Land im Allgemeinen gelehrt. Erhard Busek hat mir das Buch gegeben, und es hat viel zu lange in meinem Regal gestanden. Ich bin froh, dass ich es endlich gelesen habe. Der gemischte Erzählstil von Milan Radin mag Geschmackssache sein, aber für mich hat er es leicht gemacht, das Buch immer wieder zur Hand zu nehmen. Obwohl ich wusste, wie die Karriere von Duckadam verlaufen würde, habe ich beim Lesen mit ihm mitgefiebert, was es für mich sehr spannend gemacht hat. 

 

Daniela Apaydin 

Sommer in Odessa von Irina Kilimnik, erschienen bei Kein & Aber 2023

Wenn Bomben fallen, stürzen mit den Gebäuden auch die Träume ein. Vor dem Krieg, das hieß etwa in Odessa federleichte Sommerabende am Meer, verliebte Blicke zwischen Freunden, Familienzwist und alltägliche Probleme. „Sommer in Odessa“ erzählt von einer Stadt, in der all das möglich war, weil der Krieg noch keine Krater durch die Städte und Herzen des Landes und seiner Menschen gerissen hat. Im Sommer 2014 war zwar klar, dass sich das Land im Aufruhr befand. Doch die Medizinstudentin Olga pendelt ohne großes Interesse an der Politik etwas planlos zwischen den Erwartungen ihrer Familie, ihrem aufgezwungenen Studium und einigen komplizierten Beziehungen hin und her. Bis sich nach und nach die privaten und politischen Entwicklungen im Leben Olgas überlappen und sie eine folgenreiche Entscheidung trifft. Irina Kilimniks flüssig erzählte Familiensaga ist eine sympathische Liebeserklärung an eine Stadt, in der es sich hoffentlich bald wieder gut träumen lässt. 

Sophia Beiter 

Picknick auf dem Eis” (russ. Original “Smert’ postronnego”) von Andrej Kurkow

“Picknick auf dem Eis” erzählt die Geschichte von Einzelgänger Viktor, der Nekrologe für noch Lebende schreibt und so in die Machenschaften der ukrainischen Mafia gerät. Sein Mitbewohner ist ein depressiver Pinguin, der in der Badewanne lebt. Unaufgeregt, satirisch und melancholisch entführt Andrej Kurkow in die Welt eines gescheiterten Schriftstellers im postkommunistischen Kyjiw der Neunziger. 

 

Darija Benic

Trilogie „Brda od pelina“, bestehend aus den Büchern: „S one bande moje gore“, „S ove bande moje gore“ und „Kastigulja“. Autor: Jasenka Lalović 

Die Trilogie „Brda od pelina“ ist eine emotionale Geschichte über die Rolle der Frauen in der montenegrinischen Gesellschaft – eine Art Hommage an Frauen, die stoisch die Last der Zeit trugen, in der sie lebten, und die unfair beiseite gedrängt wurden. Von Buch zu Buch entfaltet sich die Erzählung ihrer bewegenden Schicksale mit all der gewohnten sprachlichen und kulturellen Vielfalt in der Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Kapitulation Italiens im Zweiten Weltkrieg.  

 

Haben Sie gewusst, dass Readers of Europe 2023 in der EU-Bibliothek in diesem Jahr den Schwerpunkt auf Bücher von Autorinnen legt? Die ständigen Vertretungen empfehlen die besten Schriftstellerinnen aus ihren Ländern. Mehr erfahren Sie hier.

 

Kinga Brudzińska 

Brüssel Alphabet (nur auf Polnisch) von Maciej Popowski

Trotz seines Titels und Formats ist dieses Buch keine umfassende Anleitung zur Europäischen Union. Vielmehr nimmt es einen halb scherzhaften, halb ernsthaften Ansatz an und bietet eine subjektive und literarische Darstellung des Brüsseler Mikrokosmos in seinen verschiedenen Aspekten: lokal und international, historisch und politisch, moralisch und kulturell. Durch seine Seiten erhält man Einblicke in die Funktionsweise der Europäischen Union, das Büroleben, prominente Persönlichkeiten im Brüsseler Theater und vor allem die Erfahrungen eines Mitteleuropäers, der in Brüssel lebt. 

Lucas Décorne 

The Globalization Myth: Why Regions Matter; Shannon K. O’Neil (2022)

Für diesen Sommer tauche in dieses Buch ein, das einen frischen Blick auf die Globalisierung wirft und offenbart, dass die eigentliche Geschichte der globalen Wirtschaft in den letzten vier Jahrzehnten nicht nur traditionelle Vorstellungen von Globalisierung umfasst. Stattdessen erforscht das Buch die Bedeutung der Regionalisierung und ihre potenziellen Auswirkungen auf wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand und bietet wertvolle Einblicke für alle, die die Dynamik des modernen globalen Marktes verstehen möchten. 

 

Jack Gill 

The Culture Map; Erin Meyer (2014)

In Gebieten mit großer kultureller und sprachlicher Vielfalt, wie der Donauregion, können grenzüberschreitender Austausch und Zusammenarbeit zwischen Menschen oft eine Herausforderung sein. Selbst das Lernen über andere Kulturen kann einen hoffnungslos unvorbereitet auf Begegnungen mit Menschen aus anderen Ländern lassen. Ich habe dieses Buch ausgewählt, weil die Autorin, Erin Meyer, Möglichkeiten bietet, die „Distanz“ zwischen Kulturen anhand mehrerer Maßstäbe zu messen, die spezifische Eigenschaften umfassen, die allen Kulturen gemeinsam sind. Zum Beispiel werden in einigen Kulturen Entscheidungen durch Konsens in flacheren Hierarchien getroffen, in denen der Chef nur ein weiteres Teammitglied ist, während in anderen Kulturen strenge Hierarchien eine von oben nach unten getroffene Entscheidungsfindung sicherstellen und dafür sorgen, dass die Menschen ihren Platz in Bezug auf Vorgesetzte und Untergebene kennen. Um herauszufinden, wo Ihre eigene Kultur im Verhältnis zu anderen steht, und um zu erfahren, wie man mit Menschen aus anderen Kulturen interagieren kann, empfehle ich dieses Buch. 

Daniel Martínek 

Cities of the World 1572-1617; Georg Braun and Franz Hogenberg

Für viele ist der Sommer ein Symbol für Reisen und das Entdecken neuer Orte. Diese Sammlung von über 350 historischen Gravuren wichtiger Städte aus der ganzen Welt wird Sie sicher inspirieren, während Sie Ihre nächsten Abenteuer planen. Beim Betrachten dieser oder jener Stadtplanung aus der Renaissance bekommt man Lust, Orte in ganz Europa zu besuchen, viele davon auch in der Donauregion. Als ausgebildeter Historiker habe ich mich besonders gefreut, als mir das Buch letzte Weihnachten geschenkt wurde. 

 

Malwina Talik 

„Wie man einen Diktator ernährt“ von Witold Szablowski

Reportage ist für Polen das, was Krimigeschichten für Skandinavien sind. Polnische Sachbuchautoren haben internationale Anerkennung erlangt, dank Autoren wie Ryszard Kapuscinski, die den Weg für andere geebnet haben, wie Justyna Kopinska, Wojciech Jagielski, Wojciech Tochman und den Autor des Buches, das ich diesen Sommer empfehle – Witold Szabłowski. „Wie man einen Diktator ernährt“ wurde während einer der IDM-Melanges vom Polnischen Institut vorgestellt. Ich habe dieses Buch ausgewählt, weil es durch seinen witzigen Stil und die persönlichen Geschichten von Köchen eine ernüchternde Erinnerung daran bietet, warum Autoritäre und Diktatoren in jedem Ort auf der Welt an die Macht kommen und diese halten können, wenn die Umstände günstig sind. Das Buch bietet Einblicke, wie Menschen dem Charme von Diktatoren erliegen können, selbst wenn sie sich ihrer Verbrechen bewusst sind („aber er hat immer für seine Familie gesorgt“, „er war großzügig/bescheiden“, „er hatte ein so schwieriges Leben“, „andere waren noch schlimmer“) oder sich anpassen, um in unvorhersehbaren und oft grausamen Umgebungen zu überleben. Dies ist eine ausgezeichnete Sommerlektüre, da sie fesselnd und leicht zu verfolgen ist und gleichzeitig tiefgreifende Fragen darüber stellt, wie Gesellschaften und politische Systeme funktionieren (und Sie könnten sogar einige interessante Rezepte entdecken, obwohl es vielleicht nicht Ihre Vorliebe ist wie ein Diktator zu speisen). Das Buch ist auf Polnisch, Englisch und Deutsch erhältlich. 

Péter Techet 

The Life and Death of States. Central Europe and the Transformation of Modern Sovereignty; Natasha Wheatley (2023).

Habsburgisches Mitteleuropa wird als „Labor“ für historische Forschung betrachtet, da die Habsburg-Studien neue Konzepte entwickeln müssen, um die multiethnische, multireligiöse und rechtliche Komplexität der ehemaligen Donaumonarchie zu beschreiben. Transnationalität, nationale Gleichgültigkeit, multiple Identitäten, grenzüberschreitende Kulturen – die Habsburg-Studien bieten Historikern aus verschiedenen Regionen und Zeiträumen neue Perspektiven. In ihrem neuen Buch taucht die australische (nicht österreichische!) Historikerin Natasha Wheatley in die rechtlichen Ideen ein, die in der Habsburger Monarchie entstanden sind und postmoderne, postnationale Ansätze vorwegnehmen. Der Titel von Wheatleys Buch beschreibt nicht nur das Verschwinden alter Staaten und die Entstehung neuer nach 1918, sondern verfolgt auch, wie mitteleuropäische Rechtsvorstellungen in der Zwischenkriegszeit transnationale Konzepte jenseits von Staatlichkeit vorstellten. Für diejenigen, die aktuelle Debatten über die Europäische Union oder grenzüberschreitende Zusammenarbeit aus einer „longue durée“-Perspektive verstehen möchten, insbesondere im Kontext des (nach)habsburgischen Mitteleuropas, ist dieses Buch eine faszinierende Lektüre. Darüber hinaus ist es verständlich geschrieben, selbst für Nicht-Historiker und Nicht-Juristen.

Sebastian Schäffer for Eurasia Diary English

In an interview for Eurasia Dairy, Sebastian Schäffer, IDM Director, put the losses of European companies in the Russian Federation into perspective and emphasized that we should not forget the price people in Ukraine are paying in this war. Read the whole interview in English here.

Also available in Azerbaijani

An interview with Sebastian Schäffer about the recent developments in the Russo-Ukrainian War

On AIQAhera channel IDM Director Sebastian Schäffer talked about the recent developments in the Russo-Ukrainian War, failed and fulfilled expectations as well as prospects for future. The whole interview (in Arabic) is available here: 

My Danube Story

Spread the word! 

What’s your personal Danube story? Share it with us in up to 3500 characters and win an invitation to our anniversary celebration in Vienna! 

On the occasion of the IDM’s 70th anniversary, we are looking back at the eventful history of this region, the river and its people. This special occasion calls for special awards! What’s in for you?  

  1. The best stories selected by the IDM team will be published in a book and presented at the anniversary celebration in exactly four months on 5 December 2023 at Palais Niederösterreich in Vienna. All selected authors will receive a copy of the book. 
  1. The three stories with the most likes until the end of the challenge will be invited to attend the anniversary celebration and the IDM will cover up to 300 Euro for travel and accommodation per person.  
  1. The story with the most views until the end of the challenge will receive a free IDM membership for one year. 

Write My Danube Story with us! 

Imagine we are in the Europe of 1953, the founding year of the Institute for the Danube Region and Central Europe (IDM). Scarred by the Second World War, the continent finds itself at the brink of the Cold War between East and West. Over the past 70 years, the Danube Region has seen the rise and fall of fences and walls and the shaping of new borders. Meanwhile, the Danube continued to flow unimpressed. On the occasion of the IDM’s 70th anniversary, we are looking back at the eventful history of this region, the river and its people. And we would love to hear your personal story! #MyDanubeStory Share your personal experiences of how the fluctuations of history in the Danube Region have touched your life. Which stories have left an ineradicable mark on you, your family, and your surroundings? What are the stories we should remember? What lessons can we learn from the past? And where exactly does the future begin? Tell us your #MyDanubeStory by 1 October 2023. The best stories selected by the IDM team will be published in a book and presented at the anniversary celebration on 5 December 2023 at Palais Niederösterreich in Vienna. All selected authors will receive a copy of the book. The three stories with the most likes until the end of the challenge will be invited to attend the anniversary celebration and the IDM will cover up to 300 Euro for travel and accommodation per person. The story with the most views until the end of the challenge will receive a free IDM membership for one year. Wir akzeptieren auch Einsendungen auf Deutsch!

 

Deadline: 1/10/2023

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How Kosovo Albanian-Serb Conflict raised the Political Polarization between Albania and Kosovo?

“Albania-Kosovo meeting cancelled”, “Albanian – Kosovo joint meeting cancelled” “Government: It is the first time that a meeting of two governments has been unilaterally cancelled”, “Rama confirms the cancellation of the meeting of governments”. On 13th June, a day before the ninth joint meeting between the Albanian and Kosovan governments that was to take place in Gjakova, those headlines spread rapidly in Kosovan, Albanian and international media. The prime minister of Albania, Edi Rama, announced in the last minutes that he would cancel the meeting. During the press conference, Rama claimed that the meeting could not be held “in the circumstances of Kosovo’s aggravated relations with the entire Euro-Atlantic community”, referring to international criticism of Kosovo’s handling of developments in its northern Serb-majority municipalities. During the governments joint meeting, ten agreements should have been signed. One of the most important was the mutual recognition of lawyers and mediators in resolving disputes. 

The same day, Kosovo’s prime minister Albin Kurti refused Rama’s draft charter for the creation of the Association of Municipalities with a Serb majority in the north of Kosovo. According to Rama, this plan would de-escalate the situation and normalise Kosovo’s relationship with the international community. However, he never introduced the document to the public, considering it as confidential.  

Kurti reminded Rama about Albania’s constitutional duty of dealing with national unity and the citizens of Kosovo. Kurti added: “Rama should hand over that draft to Aleksandar Vučić [President of Serbia] for the Albanians living in Serbia”. Basically, the relationship between Kosovo and Albania turned into a personal fight: Edi Rama vs Albin Kurti. 

 

The Consequences of Partisan Media 

In Albania there are currently hundreds of talk shows, news editions and opinion leaders trying to explain why Kurti refused Rama’s plan or find out who really cancelled the joint meeting, Kurti or Rama. Who is at fault in this situation? The manner in which the media handled the issue was and continues to be like the third season of a soap opera. What is sure is that this is a manifestation of political polarisation. According to a study by Pew Research, people give more weight to statements that support their own views – be it on the left or right spectrum of politics. Frequently, some media outlets in Albania known for supporting Rama`s government criticized Kurti. Albanian and Kosovan media supporting Kurti campaigned against Rama’s policies and his political rhetoric about the Kosovo case. The media has thus played an important role in creating a split: Nationalists, supporting Kurti`s political rhetoric, and the Rama supporters, who idealise or adore him as a Western Balkan leader, who is able to solve the problems between Western Balkan countries. 

 

The Personal Fight Rama vs Kurti 

Across the world, societies polarise politically. The tone of political debate has hardened in recent years, and the political left and right increasingly seem to perceive each other as enemies instead of opponents.1 On the one hand, Rama is trying to be the referee in the conflict in the north of Kosovo. On the other hand, Kurti’s believing that his approach in dealing with Serbia is better than Rama`s and hazards the consequences of the European Union’s sanctions towards Kosovo. A central aspect of political polarisation is a strong belief in the moral superiority of one’s own ideological beliefs, which easily prompts the assumption that alternative ideological beliefs are morally inferior. In this context, the confidence of both prime ministers in their own correctness had caused political polarisation, which may lead to overconfidence in decision-making. For instance, on his Western Balkan tour Rama could not have a meeting with his Kosovan counterpart, but only with Kosovo’s  president, Vjosa Osmani-Sadriu, and the chairman of the parliament, Glauk Konjufca. The overconfidence of Kurti and Rama in their ideas is damaging the two countries. They are still not able to sit together to discuss what is going wrong in Kosovan or Albanian government policies. Rama was accusing Kurti of raising tensions with the persistence he showed by returning four  mayors to the municipality offices. From the nationalist idea of the Greater Albania to diplomatic meetings , and now using Kosovo politically for their own battles: it is clear Kosovo-Albania relations are regressing day by day. The leaders’ overconfidence is weakening Albania and Kosovo-Albanians because the government is playing a neutral role instead of supporting the integrity of the Republic of Kosovo. When the war started, Albania became one of the main destinations for refugees from Kosovo. Albania sheltered hundreds and thousands of refugees during that period. In the war, the Albanian army also helped with weapons. Since Kosovo’s independence in 2008, both countries had good relations which were always preceded by national priorities, but there is also ongoing political and economic cooperation. At the political-diplomatic sphere, the state of Albania and its diplomacy have been quite active in the recognition of the Republic of Kosovo. It is obvious that the relationship between two countries is now damaged. On one hand the opposition in Kosovo is blaming Kurti, on the other hand the Albanian opposition blaming Rama.  

 

Post Truth Symptoms in Media  

Further, “alternative facts”, a term coined by the previous US administration under president Donald Trump (basically meaning false statements), have helped to fuel polarisation. Regularly, the Albanian public was exposed to “alternative facts” when Serbian police forces arrested three Kosovo police officers. At the beginning the media reported the kidnapping of three  police officers, then  labelled it as arrest. There are  two different versions of the same events on 14 June: Pristina Says Serbia ‚Kidnaps‘ Three Police Officers in North Kosovo; Belgrade Says Arrest Took Place On its Territory. As the journalist Matthew D`Ancona writes in the book Post-Truth, “nowadays it is more important the intensity of the drama than accuracy. The reality and entertainment have taken on the same meaning for the public”.2  

The political polarisation was already visible before, in the last days of May, when the situation escalated in north of Kosovo. Soldiers from a NATO-led peacekeeping force were injured in clashes with Serb protesters while defending three town halls with Kosovo-Albanian mayors. The Serbian president put the army on the highest level of combat alert. Serbia continues not to recognise Kosovo as an independent country and still believes that Kosovo is part of Serbia based in the infamous project “Nacertiana” of 1844, that aimed to oppose the idea of the Albanian State establishment and the displacement of Albanians from their ethnic land.  This rhetoric from Belgrade strongly contributes to the ethnic polarisation, which is dangerous. Its impact was also shown in the violent protests by Serbs in Mitrovica. 

Another micro-level symptom of polarisation was the protest organised by Albanians in front of the government building in support of Kosovo after the tensions in its north and the cancellation of the joint meeting between Rama and Kurti. Citizens displayed Albanian, Kosovan and UÇK flags with the slogan: “We Want National Unity (Greater Albania)” 

With all the hot issues to be solved in the Western Balkans, the question remains if at least the political polarization between Albania and Kosovo can be again alleviated?  

 

Media framing in Kosovo and Albania  

We cannot predict the future, but if Kosovo and Serbia continue the conflict under the generally difficult geopolitical situation, society will suffer the consequences of creating enemies. Media has been framing Albanians and Kosovans as brothers for a long time. Things have changed, because in some media in Albania and Kosovo Rama is now framed as a friend of Vučić selling out the national interest and Kosovo for his own interest.  In the partisan Albanian-Kosovan medias there is a framing convergence to Rama. Not only the traditional media help to build this frame, but a huge impact has social media.  Also, the leader of opposition in Albania, Sali Berisha used Facebook to strengthen the framing of Rama as a friend of the Serbian president. Media has an impact to affect the people`s opinion about the Albanian-Kosovo relations. The political polarisation caused violence in the parliament of Kosovo, when Albin Kurti was attacked physically by the opposition parliament members. The question is if the polarisation will raise the tensions and damage the Kosovan reputation in front of Europe and USA? 

Reducing both ethnic and political polarisation in Kosovo, Albania and Serbia will require efforts to promote dialogue and understanding between different groups, as well as accountability in the political system. The biggest challenge is to have media freedom and promoting objective reporting to reduce polarisation and promote democratic values. 

 

Gëzim Hilaj is a journalist, who has a Bachelor Degree in Journalism at the University of Tirana. Currently working as a journalist at the Albanian Public Television, RTSH and writer of many articles in media outlets in his country. Also he is the winner of the third fact checking award in Albania and selected as one of the 15th best young journalists in the world by the Thomson Foundation.

Terminating a Multilateral Agreement Amidst War: The End of the Black Sea Grain Initiative and Russia’s Attempt to Weaponize Food

In the latest article on the IDM blog, our trainee Lucas Décorne explores the weaponization of agricultural goods in the context of the Russian invasion of Ukraine and examines how the tensions surrounding the Black Sea Grain Initiative could impact global food security. 

Food (In)security in Times of War 

The Russian full-scale invasion of Ukraine has deteriorated food security worldwide. The destruction and disruption of food systems during armed conflicts result in strongly adverse and irreversible short- and long-term effects which may alter the lives of future generations. Besides the lack of food availability, the global agricultural markets have observed an unprecedented rising in food prices, affecting both developed and developing countries. Developing countries suffer the worst effects of the global food crisis because of their significant reliance on exports from Ukraine transported on the Black Sea. Hence, the need for an agreement, in this case multilateral, to safeguard the world’s food security while reducing the time of humanitarian assistance to those in crucial need. 

A Required Multilateral Achievement 

In February 2022, the Russian invasion of Ukraine halted maritime grain shipments from Ukraine completely, whilst Russia and Ukraine accounted for one-third of global wheat trade, 17% of global maize trade and almost 75% of global sunflower oil trade before the war. Grain could not be exported in required quantities using alternative routes through Poland or Romania because the Danube River and railway infrastructures do not have the capacity to meet global demand. Therefore, Ukraine and Russia signed an agreement with Turkey and the UN in order to allow grain exports from three key Ukrainian ports (Odesa, Chornomorsk, Yuzhny/Pivdennyi) on 22 July 2022. In April 2022, Turkey hosted the discussions since the nation controls the Black Sea maritime routes where the cargo ships would navigate through. The full name of the agreement is the Initiative on the Safe Transportation of Grain and Foodstuffs from Ukraine Ports, but it is commonly referred to as the Black Sea Grain Initiative.  

The Initiative allowed procedures to safely export commercial food and fertilizer for 120 days. Ukrainian vessels would guide cargo ships into international waters of the Black Sea to avoid mined areas. Then, cargos went on towards Istanbul along an agreed maritime humanitarian corridor where, when reaching Istanbul, they were inspected by a joint coordination and inspection centre, composed of Russian, Turkish, Ukrainian and UN inspectors. António Guterres, UN Secretary-General, said this agreement and the resumption of Ukrainian grain exports amidst the ongoing war is “a beacon of hope” in a world that desperately needs it. Additionally, another deal was signed to reduce the impact of sanctions on the export of Russian food and fertilizer. Both deals were subject to four- and then two-monthly reviews. 

The Initiative’s Influence on Food Security 

For almost a year, the Black Sea Grain Initiative (BSGI) has allowed nearly 33 million tons of foodstuffs to leave Ukrainian ports safely, driving down global food prices. Among these exported grains, less than a ton of wheat was bought and shipped to countries facing critical famine situations, such as Afghanistan, Ethiopia and Yemen, by the World Food Programme. Although wealthy countries acquired most supplies, it has lowered the overall price paid by all countries. 

Despite difficulties in the renewal of the Initiative, it was eventually renewed for another 120 days by all parties in November 2022 and later in March and May 2023 for a 60-day extension. The Russian Federation was reluctant to extend the agreement for a longer term as it considers it a losing proposition, although it benefited from the agreement since its exports were higher than last year, in addition to an increase in production of almost 17 million tons. Russian officials often expressed that they would not lengthen the deal because, according to them, the second part of the deal, about fertilizers, did not comply with the initial agreement. Not only that, but they complained that sanctions on Russian goods exports had not been lifted and called for those on the main agricultural bank to be lifted. As a result, Russia was unable to offer insurers the required legal assurance necessary to safeguard Russian food-carrying vessels. Therefore, Russia started to dwindle inspections month after month, slowly decreasing food exports. The Initiative witnessed a 66% decrease in May 2023 compared to March 2023, eventually, Russia terminated the Black Sea Grain Initiative. 

The Other Part of the Initiative 

Fertilizer exports, including ammonia, are decisive for food security and agricultural production. Even though they were included in the Initiative, they weren’t exported. Before the invasion of Ukraine, Russia used to be a major ammonia exporter, with 4,4 million tons a year. One of the main pipelines, from Togliatti in Russia to the Ukrainian port of Yuzhny/Pivdennyi, was developed to export 2,5 million tons annually, but it has been damaged on 5 June 2023 – the current status is unknown. Russia expects the resumption of the Togliatti-Odesa ammonia pipeline, as one of its demands for a return to the agreement. 

Before the conflict, Ukraine was a leading grain exporter on the global market. Its production was essential for supplying markets and keeping prices down. A lack of food supplies has unprecedented effects on the world’s food security and can impair the lives of millions of people, especially the poorest. The Black Sea Grain Initiative has facilitated the partial restoration of vital food supplies in the market. While the Initiative was recently terminated by the Russian Federation, the world may be facing another food crisis with spiking prices. Another maritime blockade of Ukrainian grain would have extensive implications beyond Europe and prove disastrous for those facing dire circumstances. 

Despite negotiating one of the few diplomatic achievements since the war began and trying to keep the Initiative running, Russia is aware of the political influence its agricultural exports offer and the leverage it has to meet its demands. It has continually blamed Western sanctions for the ongoing global food crisis while it weaponizes food to tilt the war to its side.  

Termination of the Initiative & The Future of Food Security 

The question remains whether Russia would be willing to join again the agreement or not. Putin implied he is prepared to renege on the deal if his demands are met. However, the recent bombings on the port of Odesa as well as other civilian infrastructure and also harbours at the Danube, where some 60,000 tons of grain have already been destroyed, seem to suggest the opposite. Grain prices have already risen on the global market before Russia terminated the grain deal, due to a slowing down of checked vessels to be cleared for export.  

Following the initiative’s termination, certain EU countries bordering Ukraine express concern over the potential for alternative routes. This apprehension stems from the likelihood of increased exports to these nations, potentially hampering their capacity to stock the anticipated surplus of harvests expected this year. If excess quantities of grain reach their domestic markets, then, prices will fall, undermining their farmers. The ministers of Agriculture from Bulgaria, Hungary, Poland, Romania, and Slovakia have therefore called for a prolongation of the preventive measures on imports of wheat, maize, rapeseed and sunflower seeds originating in Ukraine until the end of 2023.  

The recent interview of Sebastian Schäffer, IDM Director, for Asharq News, discusses the challenges and alternative routes for the future of grain exports amidst this war. 

 

Lucas Décorne – a student in the Master’s program in Intercultural Relations and International Cooperation at the University of Lille (France) and currently a trainee at the IDM (April to August 2023). He holds a BA degree in Foreign Languages Applied to Business from the same university. 

An interview with Sebastian Schäffer about the termination of the Grain Deal for Asharq News

IDM Director Sebastian Schäffer spoke with Asharq News about the termination of the Grain Deal, the meeting of the NATO-Ukraine-Council on 26 July 2023, the heinous attacks by the Russian Federation on Ukrainian ports and the destruction caused in Odesa as well as the Danube as an alternative export route.

You can watch the interview (in Arabic) here. 

Lokaler Bergbau, internationale Gräben

Das polnische Kohlekraftwerk Turów entzieht tschechischen Gemeinden das Grundwasser. Das führte zu einer fast zweijährigen diplomatischen Eiszeit zwischen beiden Ländern. DANIEL MARTINEK und MALWINA TALIK erklären in ihrem Beitrag die unterschiedlichen Länderperspektiven auf das Thema.

Der Text wurde in der Ausgabe 2/2023 von Info Europa veröffentlicht. Die vollständige Ausgabe ist hier zu lesen.

»Bagger kommen jeden Tag näher an unsere Häuser und die negativen Auswirkungen des Tagebaus werden immer schlimmer.« Das schreibt der Nachbarschaftsverein Uhelná in einem offenen Brief an die tschechische Regierung im Mai 2021. Die gleichnamige nordböhmische Gemeinde ist eine von vielen, die von den Umweltbelastungen des polnischen Kohlekraftwerks Turów betroffen ist. Im selben Monat ordnete der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Einstellung des Tagebaus an, der Kohle zum Kraftwerk fördert. Im Urteil heißt es, dass »drohende Schäden für die Gesundheit der tschechischen Bevölkerung und die Umwelt unumkehrbar sind, während es sich auf polnischer Seite um kompensierbare finanzielle Schäden handelt«. Sollte die Kohleförderung nicht umgehend eingestellt werden, falle eine Strafe an die EU-Kommission von einer halben Million Euro pro weiterem Betriebstag an.

Die Entscheidung des EuGH war ein Schock für Polen und spaltete die Gesellschaft. Die einen warfen der polnischen Regierung Ignoranz vor, die anderen meinten, die tschechische Regierung übertreibe mit der Klage und nutze das Thema für die anstehenden Parlamentswahlen aus. Polen setzte die Arbeiten im Tagebau ungeachtet des EuGH-Urteils fort. Zwar kamen Polen und Tschechien kurz darauf zu einer Einigung, vorerst merken die Einwohner*innen von Uhelná aber nichts davon. Polen zahlte Tschechien 45 Millionen Euro Entschädigung für den Rückzug der Klage. Perspektivisch werden Schritte eingeleitet, um die Grundwasserabsenkung auf tschechischer Seite sowie die Lärmbelästigung zu verringern. Bis diese Maßnahmen wirken, werden aber wohl noch Jahre vergehen und die Probleme für Anrainer*innen bleiben bestehen.

Die EU-Nachbarländer waren stets enge Partner in der Visegrád-Gruppe. Doch Turów ließ die Beziehungen deutlich abkühlen. Da für den Kohlegewinn der Boden entwässert wird, und das bis in mehrere hundert Meter Tiefe, sank der Grundwasserspiegel rund um den polnischen Tagebau bis zu 60m ab – auch auf tschechischer Seite.

Vom Freund zum Feind

»Sollen wir heute den Geschirrspüler oder die Waschmaschine einschalten?« Das ist eine Frage, die sich die tschechische Familie Kronus oft stellt. Ihr Brunnen reicht für den Wasserverbrauch der ganzen Familie nicht mehr aus. Michael Martin aus dem Nachbardorf Václavice muss zu seinem Nachbarn, um Trinkwasser für seine Familie zu besorgen. Es sind nur einzelne Geschichten, die die lokale grenzübergreifende Organisation Stop Turów sammelte. Doch in Zukunft kommen wohl noch weitere Geschichten dazu: Denn der Tagebau soll nach Plan des Eigentümers Polska Grupa Energetyczna (PGE) weiter ausgebaut und künftig auf weniger als 100m zur tschechischen Grenze erweitert werden. Stop Turów zufolge könnte dadurch 30.000 tschechischen Einwohner*innen das Trinkwasser entzogen werden, aber auch das gesamte lokale Ökosystem steht vor beträchtlichen existenziellen Herausforderungen.

Die polnische Seite der Grenze gleicht einer Wüstenlandschaft: Das Gebiet des Tagebaus Turów verschlingt jedes bisschen Grün. Neben ihm liegt das fünftgrößte Kraftwerk Polens, wesentlich für die Energieversorgung der Region. Doch warum stören sich die Pol*innen nicht an den Umweltbelastungen des Tagebaus? Vorerst hat dies wirtschaftliche Gründe. PGE ist der größte Stromproduzent im Land und gleichzeitig der größte Arbeitgeber in der Umgebung, rund 5000 Menschen sind bei PGE und der dazugehörigen Industrie beschäftigt. Laut polnischen Behörden käme eine sofortige Einstellung des Kraftwerks einer Katastrophe gleich: steigende Arbeitslosigkeit, eingeschränkter Zugang zu Strom, Heizung und paradoxerweise auch zu Wasser. Das Kraftwerk reinigt nämlich die Abwässer aus der Stromproduktion und liefert das Wasser an benachbarte polnische Städte wie Bogatynia. 72% des dortigen Wasserbedarfs werden vom Kraftwerk gedeckt. Aus diesen Gründen sind die Gegenstimmen auf polnischer Seite leiser als auf der tschechischen, wo die lokale Bevölkerung kaum wirtschaftlich profitiert und gleichzeitig unter der fremdverursachten Wasserarmut leidet.

Dicke Luft im Dreiländereck

Der im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien gelegene Tagebau existiert bereits seit 1904. Dass er ausgerechnet jetzt zum internationalen Streitfall wird, liegt daran, dass Polen die ursprünglich in 2020 auslaufende Konzession ungeachtet der Einwände Deutschlands und Tschechiens bis 2044 verlängerte – und das zu einer Zeit, in der zunehmende Trockenheit die Wasserknappheit in der Region ohnehin schon verschlimmert und der Trend hin zu erneuerbaren Alternativen geht. Prag konnte die Bedenken der Tschech*innen nicht länger ignorieren und wandte sich 2021 an den EuGH. 2022 klagte auch die deutsche Gemeinde Zittau, allerdings vor einem polnischen Gericht. Die Rechtswege verschlechterten die Beziehungen zwischen den zwei Visegrád-Ländern immens. Dass die polnische Botschaft in Prag seit 2020 unbesetzt war, trug nicht zur Verbesserung der Situation bei. Nachdem der Botschafter im November 2021 endlich antrat, wurde er im Jänner 2022 von der polnischen Regierung wieder abberufen, weil er sich kritisch über die Vorgehensweise im Fall Turów äußerte. »Es mangelte an Empathie, Verständnis und Dialogbereitschaft – vor allem auf polnischer Seite«, sagte er in einem Interview mit Deutsche Welle. Verwerfungen gab es allerdings nicht nur auf Regierungsebene, auch die lokale Bevölkerung reproduzierte den Konflikt. Es kam sogar zu einem Zwischenfall, in dem ein Restaurant in Bogatynia Tschech*innen die Bedienung verwehrte – so hieß es zumindest auf einem Schild an dessen Eingangstür. Der EuGH wählte auch einen ungünstigen Zeitpunkt für sein Urteil. Zweimal binnen dieser Woche kam das größte Kraftwerk Polens, Bełchatów, wegen Pannen für mehrere Stunden zum fast kompletten Erliegen. In diesem Zusammenhang schien es für Polen außer Frage Turów sofort abzuschalten.

Kein Platz für Energie-Nationalismus

Mit der neuen tschechischen Regierung von Petr Fiala zog Prag die Klage gegen Warschau 2022 beim EuGH zurück und beide Länder schlossen ein Abkommen. Neben der Entschädigungssumme sollte dieses auch die Auswirkungen des Tagebaus auf die Umwelt eindämmen. Ein Erdwall soll gegen die Lärmbelästigung errichtet werden und eine unterirdische Dichtwand soll eine weitere Absenkung des Grundwasserspiegels verhindern. Die Dichtwand ist bereits seit Juni 2022 in Betrieb und bisherige Ergebnisse zeigen, dass sich der Rückgang des Grundwassers auf dem tschechischen Gebiet verlangsamt.

Der Abschluss des Abkommens und die Beruhigung der zwischenstaatlichen Beziehungen sind sicherlich auch auf die politisch-ideologische Nähe der polnischen Partei PiS und der tschechischen ODS zurückzuführen, die mehr als eine kritische Meinung zu den Transformationsbestrebungen der EU teilen, wie zum Beispiel zum Benzin- und Dieselfahrverbot oder zu den Emissionszertifikaten für Wohnen und Verkehr.

Dennoch sind die im Abkommen geplanten Maßnahmen sowohl im Hinblick auf das strategische Gesamtkonzept der sozial-ökologischen Transformation der Region als auch auf die EU-weite grüne Kohäsionspolitik völlig unzureichend. Laut Stop Turów bestätigen Energie-Expert*innen, auch aus Polen, dass das polnische Stromnetz nach 2030 auf Turów verzichten könne. Die Nutzung erneuerbarer Energiequellen wie Wind und Sonne könnte in Zukunft den Strom des Kohlekraftwerks Turów ersetzen. Ihrer Meinung nach ist das Festhalten der polnischen Regierung an Kohlekraftwerken eine klare Manifestation des sogenannten Energie-Nationalismus. So wird von vielen Vertreter*innen der PiS-Partei die Dekarbonisierung als ein von Deutschland inszenierter EU-Plan zur Zerstörung des polnischen Kohlesektors dargestellt.

Die hohe Schädlichkeit von Tagebauen für Grundwasserspiegel ist kein Geheimnis. Obwohl Turów zweifellos das berüchtigtste Kraftwerk im Dreiländereck ist, ist es keinesfalls das einzige in diesen Ländern. Bewohner*innen mehrerer tschechischen Regionen, wie zum Beispiel um die Kraftwerke Počerady oder Ledvice in Nordböhmen, sowie Karviná und Ostrava-Třebovice in der mährisch-schlesischen Region, leiden ebenso unter den negativen Folgen des Kohlebergbaus. In Deutschland schaffen es Protestaktionen von Umweltschützer*innen immer wieder in die internationalen Schlagzeilen. Und sowohl Polen als auch Tschechien stehen vor einer Wasserkrise – beide Länder haben die geringsten erneuerbaren Wasserressourcen pro Kopf im EU-Vergleich.

Grüne Evolution statt Revolution

Wie Polen steht daher auch Tschechien auf dem Transformationspfad zu einer technologisch modernen, klimasicheren und nachhaltigen Energieerzeugung vor vielen Herausforderungen. So müssen beide Länder noch Teile der Bevölkerung von der Notwendigkeit dieser Transformation überzeugen. Nationalkonservative Tendenzen sind dafür der falsche Weg. Fälle wie Turów stoßen allerdings Umdenkprozesse an. Tschechien plant bis 2038 alle Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen und sie durch Wind-, Solar- oder Kernkraftwerke zu ersetzen. Letztere wurden von der EU-Kommission zuletzt als grün eingestuft, nicht alle Expert*innen teilen diese Ansicht. Der schleppende Prozess bedeutet für Anrainer*innen von Kohlekraftwerken dennoch mindestens 15 weitere unsichere Jahre.

Polen zählt zu den zehn größten Kohleproduzenten der Welt. Ein Ausstieg aus der Industrie wird wirtschaftlich nicht einfach, die Anzahl der Beschäftigten in diesem Bereich sinkt aber allmählich. Die Mehrheit der Pol*innen betrachtet den Klimawandel als Gefahr und befürwortet die grüne Transformation. Mit steigendem Wohlstand kommt ein Bedürfnis nach einer sauberen Umwelt. Seit Jahren leidet das Land unter Luftverschmutzung, im Winter ist der Smog oft so schädlich, dass die Einwohner*innen betroffener Regionen eine Warn-SMS bekommen, das Haus nicht zu verlassen, wenn es nicht notwendig ist. Umweltkatastrophen wie das Fischsterben und die Vergiftung des Flusses Betschwa in Mähren 2020 und der Oder in Polen 2022 veranschaulichen den Tschech*innen und Pol*innen, was passiert, wenn Klimawandel auf Verschmutzung trifft. Die Stimmen nach nachhaltiger Veränderung werden also lauter.

 

Malwina Talik ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IDM sowie freiberufliche Forscherin und Übersetzerin. Davor war sie als Expertin für wissenschaftliche Zusammenarbeit bei der Polnischen Akademie der Wissenschaften/Wien und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei der Polnischen Botschaft in Wien tätig.

Daniel Martínek M.A. ist Doktorand an der Westböhmischen Universität in Pilsen, Tschechien, und arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IDM.

Die Donauflüsterer

Die Donau ist gleichzeitig bedeutender Wirtschafts- und Lebensraum. Doch wie gelingt es, ökonomische und ökologische Interessen entlang des internationalen Flusses zu vereinen? CHRISTOPH CASPAR erklärt in seinem Beitrag, wie viadonau an Konfliktlösungen durch Innovation arbeitet.

Der Text wurde in der Ausgabe 2/2023 von Info Europa veröffentlicht. Die vollständige Ausgabe ist hier zu lesen.

Mal in engen Mäandern, mal in breitem Verlauf durchzieht die Donau Österreich auf einer Strecke von 378km und prägt dabei eine jahrtausendealte Kulturlandschaft. Ihre Anrainer*innen schätzen seit jeher den sanften Fluss und fürchten zugleich seine wilde Seite. Immer schon wollten sie die Donau gezielt nutzen. Das hinterließ Spuren. Doch die Donau blieb etwas Lebendiges mit Eigenarten und Launen, eine Naturgewalt. Sie sicher zu nutzen, verlangt kontinuierliche Kontrolle und Erforschung. Dafür braucht es Erfahrung sowie den Zugang und das Wissen von Expert*innen, die den Flussraum schützen, untersuchen und mit ökologischem Feingefühl gestalten.

Der sprechende Fluss

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an die Donau denken? Ein herrlicher Fluss mit weitläufigen Uferlandschaften, endlose Rad- und Treppelwege, Schutzdämme und vielleicht auch der eine oder andere Donaudampfer? Der österreichische Donauraum ist gut entwickelt, gepflegt und sicher. Doch was – oder besser gefragt – wer steckt dahinter? Die Spezialist*innen von viadonau pflegen 800km Ufer und kümmern sich um die Erhaltung von 500km Treppelwegen und 250km Radwegen. Sie sorgen für die effiziente Gestaltung des Stroms, halten den Wasserstraßenverkehr an neun Donauschleusen im Fluss und regen internationale Entwicklungsprojekte und Kooperationen an. Denn die Donau ist der internationalste Fluss der Welt – kein anderer durchfließt mehr Staaten als die zehn Donauländer. Deswegen pflegt viadonau enge Kontakte zu Wasserstraßenverwaltungen, Entscheidungsträger*innen und Interessensvertretungen in den Donauanrainerstaaten. Bei alldem horchen sie in die Donau hinein. Denn die Donau zu nutzen, heißt sie zu kennen und ihre Botschaften zu verstehen.

Das Expert*innenteam für Hydrologie und Hydrographie weiß: Die Donau kann durchaus gesprächig sein. Trifft man den richtigen Ton, offenbart sie ihre tiefsten Geheimnisse. Mit modernem Echolot tasten die Vermessungsexpert*innen regelmäßig die Flusssohle ab, um festzustellen, wie sich das Flussbett verändert. Denn wie die Dünenlandschaft einer Wüste befindet sich die Oberfläche der Sohle in ständiger Bewegung. Diese Geschiebedynamik kann gefährliche Untiefen und Anlandungen erzeugen, während eines Hochwasserereignisses kann sich dieser Prozess noch verstärken. Deshalb sind aktuelle Daten über den derzeitigen Zustand des Flussbetts essentiell für die Sicherheit der Binnenschifffahrt. Die regelmäßige Überprüfung der Pegelstände, Durchflussmengen und der Oberflächenstruktur des Flussbetts ermöglicht ein präzises Gesamtbild der Donau. Kartographisch aufbereitet fließen die aus den Sohlgrundaufnahmen gewonnenen Daten in die Donau River Information Services (DoRIS) ein, die den Schiffskapitän*innen eine sichere Routenplanung ermöglichen. Darüber hinaus unterstützen die Vermessungsexpert*innen die Spezialist*innen für Hochwasserschutz bei der Identifizierung besonders hochwassergefährdeter Uferregionen und zeigen Schwachstellen im Schutzsystem auf. Somit können Trends im Fließverhalten, aber auch potentielle Extremereignisse entlang des Stroms erfasst werden.

Renaturierung, die allen etwas bringt

Flusslandschaften sind empfindliche Lebensräume. Sie sind nie nur das fließende Wasser allein, sondern stets auch das komplexe Ökosystem, das sie umgibt. Wie aber Schifffahrtsinteressen, Hochwasser- und Umweltschutz praktisch und auf Dauer verknüpfen? An vielen Stellen hat der Einfluss des Menschen durch dichte Verbauung und Begradigung die natürliche Entfaltung der Uferräume verhindert. viadonau arbeitet daher an der Renaturierung der Ufer, was sowohl der Binnenschifffahrt als auch dem Hochwasserverhalten der Donau zugutekommt. Durch Uferrückbauprojekte, wie in Bad Deutsch-Altenburg, geben die viadonau-Expert*innen der Donau ein Stück ihrer Wildnis und zugleich wichtige Kompensationsräume für ausufernde Wassermassen zurück. Die Maßnahmen beinhalten den Wiederanschluss von Nebenarmen, die Wiederbelebung ufernaher Feuchtgebiete und die Verbesserung der Flusssohle.

Denn Natur ist Leben und lockt es an. Die Erhaltung und Wiederherstellung ufernaher Naturräume an der Donau sorgt für die Rückkehr lang entschwundener Tierarten. Nach zwei Jahrhunderten zieht seit wenigen Jahren erstmals der Östliche Kaiseradler wieder seine Kreise über den österreichisch-slowakischen Donau-Auen. Was dem edlen Tier gefällt, weiß auch der Mensch zu schätzen. Hunderttausende suchen jährlich Erholung in den weitläufigen Naturgebieten.

Gestaltenwandler Donau

Für die vielfältigen Nutzungsanreize sorgt die Donau ganz von selbst. Die Qualitäten des Stroms bilden das Zentrum kreativer und innovativer Entwicklungsansätze bei viadonau. Es gilt Interessen zu verknüpfen und Potentiale gemeinsam auszuschöpfen. Was schafft die Donau? Und was wäre noch möglich? Die Spezialist*innen für Verkehrsund Transportmanagement ergründen kontinuierlich neue Möglichkeiten, die Bedingungen für wassergestützten Transport weiter zu verbessern, bringen Wirtschaft und internationale Interessengruppen zusammen und koordinieren gemeinsame Förderungs- und Entwicklungsprogramme. Mit bedarfsorientierten Schwerpunktinitiativen wird die Donau als leistungsstarke und manchmal einzige Lösung für komplexe Transportaufgaben herausgestellt. Ob nun groß, schwer oder viel. Transporteur*innen entdecken immer häufiger die Vorteile der Binnenschifffahrt. Permanente Weiterentwicklung der Gewässerinformationssyteme, innovative internationale Projektarbeit und kontinuierliche Erforschung ermöglichen Hafenbetreibern, Schiffskapitän*innen und Flottenbetreibern eine Wasserstraße von hoher Nutzungsqualität und Sicherheit. Das erfordert täglich aufs Neue Leidenschaft, Engagement und Neugier. Denn wenn die Profis von viadonau am nächsten Morgen wieder ans Werk gehen, dann mit der Gewissheit, dass die Donau sich verändert hat und auch am Tag darauf wieder eine Andere sein wird. Panta rhei sagt der Philosoph. Alles fließt, bewegt und wandelt sich zu immer Neuem. So auch die Donau, der Mensch und die Natur.

 

 

Christoph Caspar leitet die Öffentlichkeitsarbeit sowie das Wissens- und Organisationsmanagement bei viadonau. Er selbst beschreibt sich als leidenschaftlichen »Nutzer« des Lebensraums Wasser und FreizeitKapitän für seinen zweijährigen Sohn.